Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da

FAMILIE Wo Kinder ausnahmsweise mal deutlich länger aufbleiben dürfen, ohne gleich zu nerven: „Die Lange Nacht der Familie“ bietet über 150 Veranstaltungen in Berliner Museen, Wäldern, Gärten – und sogar Discos

Einen detaillierten Überblick zur „Langen Nacht der Familie“ findet man unter www.familiennacht.de. Dort besteht die Möglichkeit, die Veranstaltungen nach Themen, Alter, Beginn, Bezirk und Veranstaltungsnummern (hier in Klammern) zu filtern. So zum Beispiel die oben Genannten: Paddelspaß am Wannsee (110); Familiendisconacht (136); Orgelfest (87); Nachtaktiven Tieren auf der Spur – Ein Abenteuer für die ganze Familie (69); Als Fledermäuse durch die Nacht (128); Survivalnacht im Wald – Ein Abenteuer für Familien (109), Meerchen-Nacht im Treptower Park, Figurentheater Grashüpfer (120), Sonnenuntergang über dem Flugfeld (71).

■ Die Lange Nacht der Familie: 24. 5., Programm unter www.familiennacht.de

VON SYLVIA PRAHL

Spaß und knorke Erlebnisse bringen Kinder gewöhnlicherweise nicht mit der Nacht in Verbindung. Wird die übliche Schlafenszeit nach hinten verlegt, hat das meist etwas mit der Bequemlichkeit der Erwachsenen zu tun. Die elterliche Party etwa, auf der es o. k. ist, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dabei zu sein, wenn man die Gäste nicht allzu sehr nervt. Sobald es aber fröhlich wird: ab ins Bett. Geduldet ist auch Abhängen im Restaurant, bis die Alten meinen, jetzt sei es genug. Das Höchste der Gefühle für die bis 14-Jährigen ist ein Theater- oder Konzertbesuch mit Mutter oder Vater zu handelsüblichen Zeiten.

Und sonst? Die Museen schließen am frühen Abend, kinderaffine Veranstaltungen finden natürlich tagsüber statt. Und kreuzen Eltern nach 18 Uhr irgendwo mit kleinen Kindern auf, zaubert das sofort diesen genervten „Muss das sein?“-Ausdruck auf viele anwesende Gesichter. Oft irgendwie zu Recht, denn abendliche Veranstaltungen sind meist nur für Erwachsene unterhaltsam, was Kinder zwangsläufig zu Quengelkaspern werden lässt.

Die vom Berliner Bündnis für Familien ins Leben gerufene „Lange Nacht der Familie“ setzt diesen Szenarien ein glückliches Ende. Über das ganze Stadtgebiet verteilt finden 152 Veranstaltungen statt und laden Jung und Alt mit verlängerten Öffnungszeiten, familienfreundlichen Preisen und speziell auf das Thema Nacht zugeschnittenen Veranstaltungen ein, spätabendliche Quality-Time miteinander zu verbringen.

Zur Auswahl stehen Exkursionen in die Berliner Wälder und Gärten, bei denen Wölfe, Fledermäuse und sonstige Nachtschwärmer gesichtet oder Überlebensstrategien in der Wildnis vermittelt werden, oder schweißtreibende Disconächte. Wer sportlich aktiv sein will, kann in der Dämmerung auf dem Wannsee paddeln, im Dunkeln klettern gehen oder gar bei Schwarzlicht Tischtennis spielen, was den Orientierungssinn mit Sicherheit stark herausfordert.

Das MachMitMuseum in Prenzlauer Berg lädt in der „Langen Nacht“ Familien ein, sich beim Orgelfest die hauseigene „Königin der Instrumente“ aus der Nähe anzusehen und anzuhören. Denn das Museum ist in der ehemaligen Eliaskirche untergebracht und hat der dort lange vor sich hin rottenden Orgel in liebevoller Kleinstarbeit den Holzwurm ausgetrieben und sie wieder voll bespielbar gemacht.

Nachdem sich die Kinder in der Pfeifenwerkstatt eine Orgelpfeife gebastelt haben, wird das Instrument auch von innen besichtigt und eingehend erklärt. Mit Kenner-Ohren klingen die Stücke unter anderem von Bach und Bartok beim anschließenden „Hexen-Einmaleins“-Konzert viel vertrauter als bei einem herkömmlichen Vortrag. Zum Abschluss darf, wer will, selbst in die Tasten hauen und die Pedale bearbeiten.

Das Figurentheater Grashüpfer ist hinreichend bekannt dafür, dass es erstklassigen Puppentheatern für Kinder eine nachmittägliche Bühne bietet. Abends lassen sich dort normalerweise Erwachsene von außergewöhnlichen Puppenspiel-Inszenierungen wie den Patti-Smith-Memoiren „Just Kids“ unterhalten.

Wer sportlich aktiv sein will, kann bei Schwarzlicht Tischtennis spielen

In der „Langen Nacht“ erzählen die Akteure um Intendantin Sigrid Schubert Mythen, Märchen und Legenden von Helden, die ihre Abenteuer zur See erlebt haben, für alle Altersstufen. Dabei nutzen sie die sagenhafte Alleinlage im Treptower Park, um an der nahe gelegenen Spree, in der Märchen-Jurte, am Feuer und im theatereigenen Bastel-Café den Geschichten von Sindbad, dem Seefahrer, oder dem hanseatischen Piraten Klaus Störtebeker einen anheimelnd gruseligen Anstrich zu geben. Falls die Aufmerksamkeitsspanne der Kleinsten zwischendurch einen Knick bekommt, lockt ein Malwettbewerb: Das schönste Seefahrer-Bild wird prämiert!

Familien, die das mit der „Langen Nacht“ wörtlich nehmen möchten, sind im Kinderklub Keplerstraße goldrichtig. Dort erfahren alle Familienmitglieder zunächst Essenzielles über die Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde im Allgemeinen und Sonne und Sternbildern im Speziellen. Nach Abendbrot und Einbruch der Dunkelheit ist bei klarer Sicht die Jagd auf die Sternbilder eröffnet.

Die romantischste, wenn auch wetterabhängige „Veranstaltung“ der „Langen Nacht“ ist ganz bestimmt das Erlebnis des Sonnenuntergangs über dem Tempelhofer Flugfeld. Im Interkulturellen Kinder- und Elternzentrum „Am Tower“ an der Oderstraße zeigt das Theater im Koffer zuvor noch das Stück „Meister Ton und der Lieder-Zauber-Koffer“. Anschließend stimmen sich Groß und Klein am Lagerfeuer beim Stockbrotbrutzeln auf das himmlische Farbschauspiel ein, das in dieser Nacht um 21.09 Uhr über die Bühne geht.