Schweigen und vorbeugen

JUSTIZ Ein Häftling tötet sich, der Fall wird zufällig publik: Seit 2006 werden Suizide in Gefängnissen nicht mehr öffentlich gemacht

Am frühen Montagmorgen hat sich ein 48-jähriger Untersuchungshäftling in der Justizvollzugsanstalt Moabit das Leben genommen. Dass der Suizid nur öffentlich wurde, weil zeitgleich zwei Häftlinge aus der JVA ausgebrochen waren (siehe oben), ist jedoch kein Hinweis auf Vertuschung. Das Stillschweigen über Selbsttötungen im Gefängnis ist eine politische Entscheidung zum Schutz der Angehörigen. Der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses wird monatlich über etwaige Fälle informiert.

Die Schweigeregelung wurde Ende 2006 von der damaligen SPD-Justizsenatorin Gisela von der Aue eingeführt – damals nahmen sich zehn Häftlinge das Leben, mehr als in den Jahren zuvor. Bis 2006 hatte die Justiz zu jedem Einzelfall eine Meldung an die Öffentlichkeit gegeben. „Ich finde diese Entscheidung nach wie vor nicht gut“, sagte Dirk Behrendt, rechtspolitischer Sprecher der grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, der taz. Behrendt, der auch im Rechtsausschuss sitzt, hatte, zusammen mit Abgeordneten der CDU und Gefangenenvertretern, die Entscheidung der Justizsenatorin als Vertuschungstaktik kritisiert.

Monatlicher Bericht

Nachdem Behrendt zunächst monatlich die Zahlen bei der Justizverwaltung erfragte, bekommt der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses nun von der Justiz einen monatlichen Bericht über erfolgte und versuchte Suizide in den Berliner Justizvollzugsanstalten – eine Praxis, an der auch von der Aues Nachfolger Thomas Heilmann (CDU) festhält. Laut Behrendt haben sich im vergangenen Jahr fünf Häftlinge das Leben genommen, auch in den vergangenen Jahren seien die Zahlen ähnlich gewesen. Am häufigsten würden Suizide durch einen „Haftschock“ am Anfang des Gefängnisaufenthalts ausgelöst oder seien die Reaktion auf eine Urteilsverkündung. Behrendt bescheinigt den Berliner Gefängnissen insgesamt einen zufriedenstellenden Umgang mit Suiziden: „Gerade in Moabit gibt es eine Sensibilität für das Thema und ein ausgeklügeltes Präventionssystem.“

Der Untersuchungsgefangene, der sich am Montag in Moabit tötete, ist laut Justizpressestelle der dritte in diesem Jahr. Im Februar hatte sich ein Untersuchungsgefangener in Tegel getötet, im März gelang dem sogenannten Darkroom-Mörder im Krankenhaus der JVA Plötzensee trotz Intensivüberwachung der Selbstmord. Ungefähr doppelt so viele Selbstmorde konnten nach Auskunft der Behörde bisher verhindert werden. NINA APIN