WO BLEIBT GENOSSE TREND?
: Die Schönheit der Prognose

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BONSE FRAGEN

Heute beginnt die Europawahl in London und Den Haag, am Sonntag dürfen endlich auch die Deutschen abstimmen. Doch noch bevor ein einziger Wahlzettel in den Urnen versenkt wurde, zieht man in Brüssel schon Bilanz. Wie gut sind die Spitzenkandidaten angekommen, die zum ersten Mal um die Wählergunst buhlten? Wie waren die Fernsehduelle? Sind die Bürger motiviert, wem wollen sie ihre Stimme geben? Eine ganze Armada von Politikberatern, Wahlforschern und PR-Experten beugt sich über Zahlen.

Gleich mehrere Websites haben sich auf die Europawahl spezialisiert. Was sie an (vorläufigen) Ergebnissen präsentieren, stimmt nicht gerade optimistisch. Im Gegenteil: Wenn sich der Trend nicht noch dreht, dürfte es am Sonntagabend, bei Bekanntgabe der Wahlergebnisse, lange Gesichter geben. Folgt man den Experten von „Electionista“, so dürfte die Wahlbeteiligung in Deutschland mit 40 Prozent enttäuschend ausfallen. EU-weit könnte die Quote gegenüber 2009, als nur 43 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben (ein Negativ-Rekord), noch weiter fallen.

In Ländern wie Kroatien, Tschechien oder Polen könnte nicht einmal jeder Dritte zur Wahl gehen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Politologen von „Pollwatch2014“, die vom Europaparlament gesponsert und von der London School of Economics beraten werden. Sie wagen sogar eine Wahlprognose: Die EVP von Kanzlerin Angela Merkel soll künftig mit 217 Sitzen die größte Gruppe im Europaparlament stellen, die Sozialdemokraten müssten sich mit 201 Sitzen begnügen. Allerdings würde es nicht für eine eigene Mehrheit für Merkels Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker reichen. Da auch die Liberalen schwächeln, wäre Juncker für die Wahl zum Kommissionspräsidenten auf die Stimmen der Sozis angewiesen.

Die eigentlichen Wahlsieger könnten die Rechten sein; vor allem der britische Ukip und der französische Front National dürften kräftig zulegen. Und was wird aus Grünen und Linken? Da sind sich die Experten nicht sicher. Selbst wenn beide leicht zulegen, dürfte es für eine linke Mehrheit im Parlament um SPD-Vormann Martin Schulz am Ende nicht reichen. Selbst mit den Liberalen kämen nicht genug Sitze zusammen. Alles deute auf eine Große Koalition hin, so „PollWatch2014“. Aber Vorsicht, das ist nur eine Prognose. Wenn alle taz-Leser zur Wahl gehen, können die Wahlforscher und PR-Berater am Sonntagabend einpacken oder? ERIC BONSE