LESERINNENBRIEFE
:

Nichts allzu sehr

■ betr.: „Der Mehrheits-Grüne“, taz vom 17. 5. 14

Niemand muss Altgriechisch wirklich können, wenn er es nicht gerade als Lehrer unterrichtet oder als Schüler fürs Abitur gewählt hat. Vermutlich hat Winfried Kretschmann zwei der bekannteren altgriechischen Sprüche – Inschriften über dem Orakel in Delphi – zur Klärung der bundesgrünen Lage zitiert, die sie nun beide in Ihrem Beitrag zitieren, den einen griechisch, den anderen deutsch: „Gnothi s’auton!“ bedeutet schlicht: „Erkenne dich selbst!“ „Nichts allzu sehr!“ hingegen ist die wörtliche Übersetzung von „Medén ’ágan!“ Zu beherzigen sind beide schwer, zumal von Parteien.

BERNHARD RIEDL, Brilon

Fehlende Menschlichkeit

■ betr.: „ ICD-10-GM-2014 C34.9“, taz vom 17. 5. 14

Die Vorstellung, dass die Idee von Wolfgang Jorzik wahr werden könnte, bleibt sicherlich ein Wunsch. Wir, als Selbstbetroffene von Krankheit, Sterben und Tod, wissen worüber wir schreiben. Es bleibt kaum Zeit neben Behandlung und Bearbeitung von Formularen, sich mit Krankheit, Sterben, Tod und dem Abschiednehmen von Kindern, Frau, Freunden und Familie zu befassen. Jetzt, wo mein Mann gestorben ist, mache ich weitere Erfahrungen, die von fehlender Menschlichkeit zeugen.

Mein Mann war Lehrer und als solcher Angestellter des Landes NRW. Wir als hinterbliebene Familie haben drei Monate auf eine erste Pensionszahlung warten müssen. Da wir neben der privaten Krankenkasse beihilfeberechtigt sind, haben wir nach weiteren zwei Wochen schon die neue Personalnummer der Beihilfe erhalten! Nun konnten die inzwischen für uns Hinterbliebene angefallenen Anträge für die Kostenerstattung von Arztrechnungen zum Beispiel gestellt werden. Nach vier Wochen ohne jede Rückmeldung der Beihilfe wagte ich eine telefonische Anfrage, ob denn alles bei der Beihilfestelle angekommen und von mir richtig angekreuzt worden sei (wir mussten natürlich für jeden einzelnen von uns einen sechsseitigen Neuantrag stellen, obwohl wir als Familie seit Jahren mit beihilfeberechtigt sind!). Nachdem ich Stunden in der Warteschleife verbracht hatte, waren alle zuständigen Sachbearbeiter bis hin zur Dezernentin nicht erreichbar. Mir wurde noch mitgeteilt, dass es nicht sein könne, dass mein Mann vom Landesamt NRW jemals Gehalt bekommen habe. Und woher ich überhaupt die Telefonnummer, die Beihilfepersonalnummer und meine neue Behördenpersonalnummer habe.

Ihnen, lieber Herr Jorzik, und Ihrer Familie wünschen wir Kraft und Menschen, die Ihnen helfen. JUTTA GEILENKIRCHEN, Bonn

Fauler Kompromiss

■ betr.: „Rentenpaket. Union und SPD einigen sich“, taz v. 20. 5. 14

Die „Rente mit 63“ ist ein fauler Kompromiss zwischen CDU und SPD. Nur ein kleiner Teil von Arbeitnehmern kommt in den Genuss, früher in Rente gehen zu können. Altersarmut bekämpft die „Rente mit 63“ nicht. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen ab 50 sind hierzulande arbeitslos. Eine Verkäuferin etwa, die zwei Jahre vor Rentenbeginn arbeitslos wird, oder die Millionen Hartz-IV-Empfänger bekommen die „Rente mit 63“ erst gar nicht. ALBERT ALTEN, Wernigerode

Gehipt und gehopt

■ betr.: „Die Vermessung der Weltmusik“, taz-Beilage vom 17. 5. 14

Ja, mit der „Weltmusik“ ist es schwierig geworden. Tatsächlich überschwemmen Compilationen der vergangenen Jahrzehnte seit geraumer Zeit den Weltmusikmarkt. Zunächst ist das gut, denn damals hat niemand außerhalb der Länder zugehört, welch tolle Musik auf den fünf Kontinenten gemacht wurde, es sei denn, es war Pop und Rock. Auf der anderen Seite hat Fusion die „Szene“ erobert. Da wird gehipt und gehopt und mit Reggae gemischt. Als kleines globales Sahnehäubchen zirpt mal hier eine Kora und dort ein Sample vom Buena Vista Club. Das ist so multikulturell wie das weltberühmte Frikadellenbrötchen, dem bei Los Wochos eine mit Aromastoffen aufgepeppte Chilisauce Exotik verleihen soll.

Bemerkenswert auch die Cross-Over-Welle: norwegisches Saxofon mit senegalesischer Kora, niederländische Punk-Band mit äthiopischen Melodien! Das ist alles erlaubt! Jeder Musiker/jede Musikerin kann spielen was und wem er/sie will. Man kann Grünkohl mit einem deftigen Tandori-Hühnchen kombinieren oder Sushi mit Chilisauce. Furchtbar aber wird es, wenn der traditionelle Grünkohl, der traditionelle Sushi nicht mehr zu haben sind, sondern nur noch Cross-Over-Experimente, weil das Publikum dann vergisst, wo es herkommt. WILLI KLOPOTTEK, Herne

Kein Vertrauen in Regierende

■ betr.: „Tempelhofer Feld Berlin“, taz vom 19. 5. 14

Wenn das Tempelhofer Feld bebaut werden würde und dort garantiert bezahlbarer innerstädtischer Wohnraum entsteht, der garantiert in öffentlicher Hand bleibt, dann könnte man mit vielen linksalternativen Bebauungsgegnern sicher auch ergebnisoffen debattieren. Der Punkt ist einfach, dass man den Regierenden und den Versprechen nicht trauen kann, ein Indiz dafür ist, dass die Stadt auch ein Gewerbegebiet dort ansiedeln möchte. Im Vorfeld verspricht man einmal mehr zum Wohle der einfachen Bürger zu handeln, am Ende sollen wohl wieder wirtschaftliche Interessen bedient werden. Das hat der kritische Berliner Bürger eben verstanden, vielleicht sogar mehrheitlich. MARKUS MEISTER, Kassel