MüPis Pannenserie

Trotz aller Rücktrittsforderungen will Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter weiter machen

Zumindest mit Autos kennt sie sich aus. Mit Gebrauchtwagen, Re-Importen und Leasing. Ihr Standardwerk „Auto kaufen und verkaufen“ ist bei C.H. Beck erschienen. Abseits der Straße ist Roswitha Müller-Piepenkötter weniger sicher. Seit Wochen schlittert die NRW-Justizministerin von einer Panne in die nächste. Nach dem Häftlingsmord in Siegburg vergaß sie, sich bei der Familie des Opfers zu melden. Erste personelle Konsequenzen traf sie nach acht Tagen, als sie den Gefängnisleiter versetzte. Dass sie spät mit ihm sprach, findet man im Ministerium o.k.: Die Kommunikation hätte übers Justizvollzugsamt laufen müssen.

Offenbar wird aber nicht kommuniziert, sondern geschwiegen. Von einer Gewalttat in der Justizvollzugsanstalt Siegen bekam sie erst in diesen Tagen Wind – der Vorfall ereignete sich bereits im Juli. Ein psychisch labiler Häftling war von einem Zellennachbarn aufgefordert worden, sich umzubringen. Tatsächlich unternahm er einen Selbstmordversuch. Müller-Piepenkötter, in Koalitionskreisen liebevoll MüPi genannt, reagierte nach Schema F: Erst mal ein Disziplinarverfahren gegen den Anstaltsleiter einleiten, dann weiter sehen.

Vieles geht in diesen Tagen einfach schief. Da wird zum Beispiel bekannt, dass eine Aachener Richterin schon im vergangenen Jahr gesagt hatte, dass sie Jugendliche nicht mehr in Untersuchungshaft stecke, weil dort Misshandlungen zu befürchten seien. MüPis Reaktion: eine wissenschaftliche Kommission. Jetzt, nach dem Siegburger Mord, noch eine Kommission – eine unabhängige Expertenkommission.

Dass die Ministerin so unglücklich agiert, könnte am Lebenslauf liegen: Sie ist keine gelernte Politikerin. Sie ist Juristin. Bis zu Ihrer Ernennung arbeitete die 56-Jährige als Richterin am Düsseldorfer Oberlandesgericht. Außerdem war sie Vorsitzende des Richterbundes NRW. In Justizkreisen hat man sich gefreut, endlich eine Praktikerin auf dem Posten zu haben. Es heißt auch, man sei mit ihr zufriedener als ihren Vorgängern – was die Inhalte angeht. Aber schon vor dem chaotischen Krisenmanagement wurde kritisiert, sie sei politisch eher ein Leichtgewicht. In diesen Tagen wurde sie nicht schwerer: Nach ihren unglücklichen Auftritten im Rechtsausschuss fordert die Opposition einhellig den Rücktritt. Und auch in den Zeitungen liest man von ihrem wackelnden Stuhl.

Immerhin findet ihr Chef sie weiterhin klasse. Noch gestern hieß es aus der Staatskanzlei: „Die Ministerin hat ihre Maßnahmen im Kabinett vorgestellt und hat für ihre Arbeit die Rückendeckung der gesamten Landesregierung.“

Und auch ihr Buch wird gelobt: „Dieses Werk zeigt, dass es auch möglich ist, auf gerade 175 Seiten ein Rechtsgebiet im Kern umfassend und leicht zugänglich darzustellen.“ Wo steht‘s? Im amtlichen Ministerialblatt des Justizministeriums. Des hessischen. BENJAMIN WASSEN