Die Kunst der Beiläufigkeit

FOTOGRAFIE Das Weserburg-Museum für moderne Kunst zeigt mit „Transit“ des Bremer Künstlers Olaf Schlote binnen Kurzem bereits die zweite Ausstellung mit Fotografien

Schlote vermag es, scheinbar unspektakuläre Motive mit existenziellen Fragen anzureichern

VON JAN ZIER

Es ist eher das Beiläufige, das Olaf Schlote in seinen Fotografien zum Thema macht. Eine „leicht zu übersehende Wirklichkeit“, wie der Weserburg-Direktor Carsten Ahrens sie nennt. Jetzt zeigt das Museum für moderne Kunst auf dem Teerhof mit „Transit“ erstmals so eine Art Werkschau des 49-jährigen Bremer Fotografen.

Natürlich ist die Idee, das Randständige in den Mittelpunkt zu rücken, in der Fotografie keineswegs neu. Und sicherlich ließe sich manches, Schwarz/Weiß-Arbeiten aus dem Bremer Hafen etwa, als mit Bedeutung angereicherter Lokalkolorit abtun, wie er auch anderswo in der Stadt schon manches Mal zu sehen war – ohne deswegen gleich mit einer Ausstellung in der Weserburg museal geadelt zu werden. Doch überwiegen in der Ausstellung die anderen Arbeiten Olaf Schlotes. Dankenswerterweise.

Stark ist sie, wo Schlote großformatige Landschaftsbilder zeichnet. Vor allem aber dort, wo er scheinbar unspektakulären Motiven existenzielle Fragestellungen abgewinnt. Schlote widersteht dabei der heute weit verbreiteten Versuchung, Bilder möglichst scharf zu zeichnen, auf Hochglanz zu polieren, damit vielfach zu überzeichnen. Unschärfe bringt bei Schlote nicht nur eine Bewegung ins Bild, die an Handkameras erinnern lässt, sondern auch Intimität. Mehr noch: Sie reichert die Bilder mit Geschichten an, wirft Fragen auf, eröffnet Parallelwelten, Assoziationsketten. Schlote geht es nicht darum, die sogenannte „Wirklichkeit“ möglichst „wahrheitsgetreu“ abzubilden, sondern die Grenzen dessen auszuloten.

Mit Olaf Schlote zeigt die Weserburg binnen Kurzem bereits zum zweiten Mal Fotografien. Bis Ende Oktober war an derselben Stelle in einer ersten Einzelschau Götz Diergarten zu sehen. Doch anders als Schlote arbeitet der 1972 geborene Mannheimer sehr monothematisch: Er ordnet in seinen Bildern Häuser und Hütten, Fassaden oder Imbissstände zu typologischen Bildfolgen.

Doch die Häufung ist kein Zufall, könnte man sagen. Hat doch die Fotografie, sagt Ahrens selbst, „in den vergangenen zwei Jahrzehnten in einem beispiellosen Siegeszug den Rang eines tonangebenden Mediums der zeitgenössischen Kunst errungen“. Gemessen an diesen starken Worten allerdings zeigte die Weserburg nur sehr sparsam auch Fotografie. Sieht man mal von Helmut Newton ab, dessen Akt-Fotos weniger wegen ihres künstlerischen Wertes als wegen ihrer Eigenschaft als Besuchermagnet gezeigt wurden.

Einen Namen machte sich Schlote übrigens vor allem im Zuge des Filmes „Verrückt nach Paris“, einer preisgekrönten Geschichte dreier „Behinderter“ aus dem Umfeld des Bremer Blaumeier-Künstlerateliers. Auch in der jetzigen Ausstellung „Transit“ tauchen diese Bilder wieder auf, es sind Porträts voller unverkrampfter Selbstverständlichkeit, natürlich, authentisch, niemals statisch, vor allem aber: gegenüber den Behinderten niemals mitleidig oder gar diskriminierend. Von ähnlicher Intensität sind Arbeiten Schlotes, die Tod und Sterben, den Transit ins Jenseitige thematisieren, aber leider in dieser Ausstellung (die ähnlich jüngst auch in Galerien in Hamburg und Berlin zu sehen war) nur am Rande vorkommen. Es sind wundervolle Bilder in Schwarz/Weiß, die persönlich und zugleich abstrakt sind, still, aber intensiv.

Fotografien wie diese machen die Ausstellung vielschichtig. Und natürlich lässt sich das alles irgendwie unter dem ordnenden Titel „Transit“ subsumieren. Und doch: Die Zusammenstellung der konzeptionell wie thematisch sehr unterschiedlichen Werke wirkt in ihrer Heterogenität auch ein bisschen beliebig. Das ist schade. Hier hätte mehr Konzentration zu mehr Intensität geführt.

Bis 6. Februar. Der Katalog zur Ausstellung ist bei Hachmannedition, Bremen erschienen.