Bitte zerreißen Sie Ihre sonntaz jetzt

AUS DER TAZ In drei Druckereien drehen sich jeden Abend Papierrollen, aus denen die taz entsteht. Den Unterschied kann man erreißen

 Der Wunsch: Heinz Menge mailte uns: „Mich würde interessieren, warum die Handhabung eines taz-Exemplars schwieriger ist als die einer anderen Zeitung. Das Doppelblatt in der Mitte durchzureißen klappt nie. Bei anderen Zeitungen schaffen es die Macher selten, ein einzelnes Blatt in die Mitte eines Buches zu platzieren. Wie kommt das? Ich finde es sehr unpraktisch.“

 Der Weg: Schicken Sie Ihre Anregung an open@taz.de oder an die tageszeitung, S. Heiser, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin

Liebe Leser, jetzt folgt ein Zaubertrick: Zerreißen Sie diese Seite, und ich sage Ihnen, wo Sie wohnen! Reißen Sie zuerst von links nach rechts entlang des Striches, der diesen Text vom „Streit der Woche“ oben trennt. Reißen Sie dann von oben nach unten, zum Beispiel entlang der rechten Seite des Fotos oben. Merken Sie etwas? Es ist relativ leicht, die Zeitung in eine Richtung nahezu gerade zu zerreißen. In der anderen Richtung franst der Riss dagegen aus und lässt sich kaum gerade halten.

Ich behaupte: Wenn Sie von links nach rechts leichter gerade reißen können, wohnen Sie in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, im Saarland oder in Nordrhein-Westfalen. Wenn Sie von oben nach unten leichter reißen können, wohnen Sie in Ostdeutschland, Hamburg, Bremen, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein.

Das hängt mit der Drucktechnik zusammen – und damit, dass die taz an drei verschiedenen Druckorten entsteht: in Berlin, in Pinneberg bei Hamburg und in Frankfurt. In allen drei Druckereien wird das Papier von einer großen Rolle abgewickelt und durch die Druckmaschine gezogen. In der Richtung, in die es gezogen wird, muss es besonders reißfest sein. In Frankfurt wird die taz allerdings im Vergleich zu der in anderen Druckereien um 90 Grad gedreht auf das Papier gedruckt. Denn dort wird sie nach dem Druck anders zurechtgeschnitten und zusammengelegt – und so erklärt sich der Reiß-Trick.

Ein anderer Unterschied besteht darin, wie die taz zusammengelegt wird. Die meisten Zeitungen bestehen aus unterschiedlichen Teilen, die man am Frühstückstisch verteilen kann: Politik, Wirtschaft, Kultur, Lokales. In der Zeitungssprache heißen diese Teile „Bücher“. Jedes Buch besteht meist aus acht oder zwölf Seiten – Hauptsache, die Seitenzahl lässt sich glatt durch vier teilen. Manchmal hat ein Zeitungsbuch aber auch sechs oder zehn Seiten – dann ist in der Mitte des Buches zusätzlich ein einzelnes Blatt eingelegt, das einem beim Aufblättern entgegenfliegt. In der Zeitungssprache heißt so ein Blatt entsprechend „Flieger“.

Die unterschiedlichen Druckmaschinen und die unterschiedliche Seitenzahl der taz-Lokalteile Berlin und Nord bedingen die unterschiedliche Aufteilung der taz-Bücher. An einem typischen Wochentag besteht die in Berlin gedruckte taz aus 28 Seiten in vier Büchern mit zwei Fliegern. In Pinneberg entstehen dagegen 24 Seiten in vier Büchern ohne Flieger und in Frankfurt 20 Seiten in nur einem Buch. So vielfältig kann eine einzige Zeitung sein! SEBASTIAN HEISER