LESERINNENBRIEFE
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So war das bei mir damals

■  betr.: „Ist das Kind nicht total verwirrt?“, taz vom 8. 12. 10

Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel in der taz gelesen. Ich finde, Sie haben alles richtig gemacht mit der Dreisprachigkeit, und auch der Umzug nach Brighton war wohl unvermeidbar. Ich hätte genauso gehandelt. Sie konnten durch Ihre Familienkonstellation praktisch keine Sprache weglassen. Das alles hat mich an die Situation erinnert, als meine Kinder klein waren.

Das war 1975, mein Sohn war drei Jahre alt und meine Tochter 1 1/2. Ich war beurlaubte Lehrerin, (Musik und Englisch), mein Mann Betriebswirt, und wir lebten in Bayern. Eines Tages geschah Folgendes: Es flatterte ein Schuhprospekt ins Haus, und neben jedem Schuh stand ein Kindername. Mein Sohn sagte immer: „Mama, lies“, und ich las ihm die zehn Namen vor und tippte auf jeden dazu gehörenden Schuh. Dann rutschte der Prospekt unter andere Sachen. Nach ca. einer Woche fiel er uns wieder in die Hand. Und mein Sohn „las“ mir alle Namen ganz genauso vor, wie ich sie ihm einmal selbst vorgelesen hatte! Ich war baff! Ich fand, das sei so eine tolle Leistung seines kleinen Gehirns, dass ich beschloss, es nicht zu ignorieren. Mein Mann allerdings und die gesamte Verwandtschaft sagten, ich solle das arme Kind in Ruhe lassen, die Jugend sei kurz genug, er sei kein Genie, das sei ganz normal usw. Aber ich dachte, ich müsse ihn besonders fördern und begann mit dem Englischlernen, da dies sich aufgrund meines Studiums anbot. Ich baute beim Spielen und beim Essen „Vokabeln“ ein, auf die er gerne einging. Ich sprach also nicht fließend englisch mit ihm, sondern es ging immer nur um einzelne Wörter, die ich allmählich zu Sätzen ausbaute. Meine Tochter lief so nebenbei mit, aber sie sperrte sich von Anfang an dagegen, was ich auch akzeptierte. Trotzdem machte ich mit beiden weiter, und zwar bis zum Beginn des Kindergartens. Ich weiß noch, dass ich einmal vergaß, dass ich „whole“ noch nicht eingeführt hatte. Wohl aber „hole“. Als ich meinen Sohn beim Essen fragte: „Do you want the whole piece of bread?“, weinte er und sagte, er wolle kein „Lochbrot“. Da merkte ich, dass ich mir allmählich doch aufschreiben musste, welche Worte ich beigebracht hatte und welche noch nicht. Wir waren nach ca. 1 1/2 Jahren bei ungefähr 1.000 Wörtern. Die Liste habe ich immer noch. Dann waren meine Kinder nicht mehr so viel mit mir zusammen, weil sie in den Kindergarten kamen, und ich ging wieder in die Schule. Wir hielten trotzdem den Standard, den wir erreicht hatten, aber nur lose. Mein Sohn wurde ein sehr guter Schüler, nahm als Leistungskurs später Englisch und machte ein 1,0-Abitur. Meine Tochter ist ein ganz anderer Typ, schloss mit Realschule ab und wurde Erzieherin. Beide haben einen Weg eingeschlagen, der für sie richtig war, und ich habe versucht, ihnen dabei zu helfen. Nun hat mein Sohn eine Chinesin geheiratet und ist seit September Vater. Ich habe meine Schwiegertochter, die schon gut Deutsch spricht, gefragt, wann sie denn mit dem Chinesischreden mit dem Baby anfangen wolle. Sie sagte, das sei wohl noch zu früh. Ich sagte, keineswegs, denn die Muttersprache habe einen ganz anderen Laut, und den brauche das Baby sofort. Zum Glück glaubte sie mir, und seitdem spricht sie chinesisch mit ihm, und mein Sohn deutsch. Meine Tochter ist auch verheiratet, aber sie wird keine Kinder bekommen. Sie ist „Tagesmutter“ für Ein- bis Dreijährige, was ein kleiner Ersatz ist.

So war das bei mir damals. Jetzt bin ich schon lange pensioniert, 69 Jahre alt, verwitwet und seit Kurzem Oma, was ja auch wunderschön ist. Ich lerne gerade mühsam Spanisch für meinen nächsten Urlaub. In der Jugend hätte ich es leichter gelernt …

FRAUKE KÄSSBOHRER, Lübeck

Gar nichts tun

■ betr.: „Lustiges Gewerkschafts-sterben“, taz vom 15. 12. 10

Wieso sollten jetzt Ver.di & Co Zeitarbeitstarifverträge schließen? Das Beste, was sie tun können ist: gar nichts. Denn von der gleichen Bezahlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft kann nur abgewichen werden, wenn ein eigener Tarifvertrag besteht. Kein Tarifvertrag = Equal Pay.

Und der DGB muss nicht einen Pfennig dazubezahlen.

WIEBKE FUCHS, Hamburg

Besuch im Anflug

■ betr.: „Nur der Käse ist von mir“, taz vom 6. 12. 10

Guten Tag, Susanne Klingner, Woher kennen Sie mich? Ich fühlte mich richtig ertappt. Und dabei habe ich immer gedacht, nur ich bin so blöd und rödel bei Besuch im Anflug. Früher habe ich sogar überlegt, wie groß die Leute sind, um meine Staubwischobergrenze festzulegen. Wesentlich geändert hat sich das bis heute nicht. Also hoffen Sie nicht auf Gelassenheit im Alter. URSULA PLAMBÖCK

Unterschlupf mit Seeblick

■ betr.: „Eine Sitzgelegentheit für Assange“, taz vom 15. 12. 10

na super. seit heute kreisen hubschrauber über meinen schönen garten, das telefon knackt sehr merkwürdig, der wasserstandsableser wollte meinen fingerabdruck nehmen … und das alles, weil ihr in dem artikel meinen vor- und nachnamen ausgeschrieben habt. und das allerärgerlichste ist: jetzt kann ich mir, und assange desgleichen, den unterschlupf für ihn mit seeblick in die haare schmieren … und die sache ist ja noch nicht ausgestanden! Ihr dööspaddels! MARIA ADOLPHS, Überlingen