Kinder löffeln Hartz-Suppe aus

HARTZ IV Der Machtpoker um die Reform der Regelsätze geht weiter. Nachdem die SPD-geführten Länder Neuerungen blockierten, muss nun der Vermittlungsausschuss ran

Die SPD will die Hilfen für Kinder direkt an die Kommunen auszahlen lassen

AUS BERLIN MATTHIAS LOHRE

Nach dem Scheitern der Hartz-IV-Reform im Bundesrat beschuldigen sich Opposition und Koalition wechselseitig, dass die andere Seite bessere Lebensumstände für Arme verhindere. Die FDP warf SPD, Grünen und Linken „Heuchelei“ vor. Hinter den Kulissen haben die Vorbereitungen für eine Einigung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat bereits begonnen.

Am Freitag lehnten die SPD-geführten Länder wie angekündigt die Hartz-IV-Reform im Bundesrat ab. Das von CDU, FDP und Grünen regierte Saarland enthielt sich auf Betreiben der Grünen. Das Gesetz konnte damit nicht verabschiedet werden. Den unionsregierten Ländern fehlte bei 34 Jastimmen eine Stimme zur Mehrheit in der Länderkammer.

Noch am Freitagnachmittag kam der Vermittlungsausschuss zusammen und setzte eine Arbeitsgruppe ein. Sie soll voraussichtlich am kommenden Montag ihre Arbeit aufnehmen. Findet sie einen Kompromiss, könnte der Bundestag im Januar, der Bundesrat im Februar darüber abstimmen. Schon Mitte Februar könnte die Neuregelung somit stehen. So lange müssen die Leistungsempfänger wohl noch auf den höheren Regelsatz und das Bildungspaket warten. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber eine Frist bis zum Ende dieses Jahres gesetzt.

Schwarz-Gelb plante, die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene zum 1. Januar 2011 um 5 auf 364 Euro im Monat anzuheben. Die Regelsätze für Kinder sollen nicht steigen. Sie werden ergänzt durch 10 Euro im Monat für Freizeitaktivitäten sowie Zuschüsse zum Schulessen, zu Nachhilfestunden, Wandertagen und durch eine Monatskarte für Schüler. Das Bildungspaket in Höhe von 740 Millionen Euro umfasst auch bestehende Leistungen wie den 100-Euro-Zuschuss pro Schuljahr.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erklärte, die neuen Hartz-IV-Leistungen könnten erst gezahlt werden, wenn das Gesetz verabschiedet sei. Sie selbst gehört dem Vermittlungsausschuss nicht an, sei aber „Tag und Nacht verhandlungsbereit“, um schnell zu einer Lösung zu kommen. Die Opposition dürfe 2,3 Millionen Kinder „nicht im Stich lassen“.

Von der Leyen warb für das Bildungspaket, für dessen Umsetzung 1.300 neue Stellen bei den Jobcentern geschaffen werden sollen. Die Forderung der SPD nach mehr Sozialarbeitern an Schulen lehnte sie ab. Die Hartz-IV-Reform sei nicht dazu da, dass der Bund Aufgaben der Länder übernehme.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner warf der Opposition vor, sie habe aus „reiner PR-Verliebtheit“ die Reform „ausgebremst“. Es sei „der Gipfel der Heuchelei“, nun die Auszahlung eines höheren Hartz-IV-Betrags zu fordern, obwohl dafür die gesetzliche Grundlage fehle.

Die SPD kontert, die Reform könne während der Verhandlung über Änderungen in Kraft treten. Sie will statt neuer Stellen in den Jobcentern die Hilfen für die Kinder direkt an die Kommunen auszahlen lassen, und zwar auch für Kinder aus Familien, die Wohngeld beziehen.