Mehr Verwertung angestrebt

Lehrling oder Arbeitskraft? Die CDU-regierten Länder wollen den Arbeitsschutz für Jugendliche entschärfen – ansonsten lohne sich die Ausbildung für die Arbeitgeber nicht. SPD und DGB-Jugend widersprechen

Seit 1976 hat sich auf dem Arbeitsmarkt viel getan. Deshalb will eine Bund-Länder-Kommission das inzwischen 30 Jahre alte Jugendarbeitsschutzgesetz modernisieren – die Novelle wird zurzeit erarbeitet. In welche Richtung sie gehen soll, ist indes umstritten: Nachdem die CDU-Regierung des Saarlandes angeregt hat, die Arbeitszeiten Minderjähriger erheblich auszuweiten, können sich damit auch Unions-Vertreter aus dem Norden anfreunden. Gegen die Idee, Jugendliche etwa in der Gastronomie künftig bis 23 Uhr beschäftigen zu können, hat nun die Hamburger DGB-Jugend eine Kampagne gestartet. „Auszubildende sollen etwas lernen und nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden“, sagt Olaf Schwede, der Vorsitzende des Gewerkschafts-Nachwuchses.

Von einer Ausweitung der Arbeitszeit wären nach Rechnung des örtlichen DGB allein in Hamburg mindestens 8.000 Lehrlinge und Jobber betroffen. Dabei gebe es keine Ausbildungsinhalte, führt Schwede an, die nicht ebenso bis zum jetzigen Feierabend um 22 Uhr vermittelt werden könnten. Bei späterem Dienstschluss seien die Jugendlichen erst mitten in der Nacht im Bett. Dabei seien sie „physisch und psychisch noch nicht so belastbar“ wie Erwachsene.

Jeder fünfte Arbeitsunfall in Deutschland betrifft 15- bis 24-Jährige. Dass Jugendliche besonders schutzbedürftig sind, bestreitet auch Jürgen Klimke nicht. Dennoch macht sich der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Hamburg für eine Ausweitung der Arbeitszeiten stark: Ausbildung müsse dann erfolgen, wenn die Dienstleistung nachgefragt wird, führt er ins Feld. Ein Unternehmer investiere viel Geld in eine Ausbildung, die den Lehrlingen später zugute komme. Gerade in späteren Ausbildungsphasen sei die „zusätzliche Wertschöpfung durch den Azubi eine Teilrückerstattung dieser Investition“, sagt Klimke. Eine „Verwertung“ der Minderjährigen spiele eine Rolle, weil „ohne sie die Aufnahme eines Auszubildenden unrentabel wäre und damit weniger Ausbildungsplätze entstehen würden“.

Anders sieht das der ebenfalls aus Hamburg kommende SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen, der sich gegen eine „Aushöhlung“ des Jugendschutzes wendet: Zweimal bereits sei das Jugendarbeitsschutzgesetz zu Lasten der Auszubildenen geändert worden, sagt er – ohne dass in der Folge zusätzliche Lehrstellen geschaffen wurden. Im Gegenteil, so Annen: „Die Ausbildungslücke wird immer größer.“ELKE SPANNER