„Seiltanz auf dem Boden“

DJ Vinyldreher Hans Nieswandt schrieb ein Buch über den Kulturclash mit dem digitalen Nachwuchs

■ 46, lebt in Köln und arbeitet auf der ganzen Welt als Techno-DJ. Und zwar mit Schallplatten.

taz: Herr Nieswandt, Platten sind doch total teuer, schwer und zerkratzen sofort. Sie sperren sich gegen den Fortschritt!

Hans Nieswandt: Mir gefällt es aber selbst, Leuten zuzuschauen, die etwas total draufhaben. Jongleure oder Seiltänzer zum Beispiel. Ein langer Übergang zwischen zwei Tracks hat etwas von einem Drahtseilakt. Und wenn das gut gemacht wird, hat das etwas ganz wunderbares, das ist wie Zauberei. Und die Leute schauen gerne Zauberer an.

Und die Laptop-Fraktion zaubert nicht?Es sind ja nicht nur die, es gibt immer mehr DJs, die kommen nur noch mit einem USB-Stick an. Da gibt es dann Software, die die Tracks automatisch synchronisiert und sowas. Das mag verlockend sein, weil es leichter ist. Aber es ist so alltäglich und deswegen auch so wenig aufregend wie Seiltanzen, wenn das Seil auf dem Fußboden liegt.

Dafür die Digital-Fraktion hat doch ganz andere Möglichkeiten als Sie: Die können live ganz neue Sounds erschaffen – Sie können nur die fertigen Tracks auf Ihren Platten kombinieren.

Manche mögen durchaus dazu in der Lage sein. Aber mein Eindruck ist, dass die ganzen kreativen Mölichkeiten, die die Hersteller bewerben – Live-Remixen, Loopen, diese Dinge – nicht wirklich spannend und Mehrwert erzeugend genutzt werden. Die meisten jüngeren Kollegen mit den Laptops spielen ein Stück nach dem anderen.

Müssen Sie den Veranstaltern eigentlich mittlerweile vorher sagen, dass Sie noch Platten benutzen?

In Deutschland noch nicht, da kennen mich die Leute. Aber in China und Korea, wo ich dieses Jahr häufig war, da sind die Plattenspieler fast verschwunden, da muss man das tatsächlich ausdrücklich sagen.

Wie oft gehen Sie eigentlich Platten kaufen?

Jeden Mittwoch und manchmal freitags. Interview: Christian Jakob

Lesung & Set: 19 h, Schwankhalle