HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER
: Schneefrei

Die Pilateslehrerin hat ihre wohlerzogenen Kinder zu Hause gelassen, mit einer Kanne Tee und einem Schulfreund

„Ich glaub ja nicht, dass das überhaupt heute noch schneit“, sagt die Pilateslehrerin den Müttern, die heute morgen zur Turnstunde in der Turnhalle stehen. Und sie guckt aus dem Fenster und ein wenig gräulich guckt das Wetter zurück. Es sind nicht alle Mütter heute morgen erschienen, entweder scheidet der angekündigte Schnee die Mütter nach Alter der Kinder oder nach erzieherischen Fähigkeiten.

Eine von ihnen hatte mich auf dem Weg zur Turnhalle abgefangen. „Gehst du zum Sport? Beneidenswert“, sie steht an der Tür des Cafés, und an ihren Mantelzipfeln hängen junge Kinder. Es sind ihre. Die sie nicht an die Notbetreuung der Vorschule hatte loswerden wollen.

Der Weg zur Turnhalle hatte weiter an Parolen auf Autofenstern vorbeigeführt, „no school“ oder „Sicko“. Man fing an, das Schlimmste zu befürchten: Horden von ungezähmten Teenagern, die Ungeheuerliches tun würden, wenn sie denn nicht rodelten.

Und nun, in der Turnhalle – ist nichts los. „Die wollen bloß nicht wieder verklagt werden“, sagt die Pilateslehrerin, die ihre wohlerzogenen Kinder zu Hause gelassen hat, mit einer Thermoskanne Tee und einem Schulfreund.

„Morgen geb ich die Kinder in die Notbetreuung“, sagt die Mutter, die ich nach ihrer verpassten Turnstunde schweißgebadet wiedersehe, „egal ob’s schneit oder nicht.“