Bahn frei für Windparks auf See

Neues Bundesgesetz soll den Bau von Offshore-Anlagen in Nord- und Ostsee beschleunigen. Stromanbieter beklagen verdeckte Subventionierung der Windräder auf Kosten der Verbraucher

Von Marco Carini

Die Stromnetzbetreiber machen mobil. Auf einem Strompreis-Workshop kritisierten Vertreter des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) gestern in Hamburg das vergangenen Freitag vom Bundesrat beschlossene Planungsbeschleunigungsgesetz, das den Bau von Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee erleichtert.

Die Kritik des Verbandes, der die deutschen Stromversorger vertritt: Nicht die Offshore-Investoren, sondern die Stromnetzbetreiber müssten die teuren Seekabel legen und bezahlen, die die bis zu fünfzig Kilometer vom Festland entfernt liegenden Windparks mit dem Stromnetz verbinden. Zwar würden die Kosten auf alle Netzanbieter umgelegt, die Zeche aber müssten die Verbraucher mit höheren Strompreisen zahlen. Deshalb käme das „Gesetz einer verdeckten Subventionierung des Offshore-Bereichs“ gleich, so VDEW-Sprecher Frank Brachvogel. Aus Sicht des Gesetzgebers werden die Windparks mit dem kostenlosen Netzanschluss jedoch bloß den Kraftwerken an Land gleichgestellt (taz berichtete).

In welchem Ausmaß die Kilowatt-Stunde sich für den Normalverbraucher durch das Gesetz verteuern könnte, mochte der VDEW nicht sagen. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) spricht von einer Mehrbelastung für private und gewerbliche Stromkunden „in zweistelliger Milliardenhöhe“.

Das Bundesumweltministerium hält diese Prognosen für übertrieben. Der Netzanschluss der fünf vor den norddeutschen Küsten geplanten Windenergieparks koste rund 900 Millionen Euro. Beim Strompreis wirke sich das kaum aus. Ein Drei-Personen-Haushalt müsse mit 31 Cent Mehrkosten im Jahr rechnen; die 300 Unternehmen mit dem höchsten Stromverbrauch koste die Regelung per anno insgesamt sechs Millionen Euro.

Rückenwind bekommt das neue Gesetz vom schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU), der das Paragraphenwerk als „Startsignal für die Verwirklichung von zunächst fünf Offshore-Windparks vor der schleswig-holsteinischen Küste“ bezeichnete. Diese Anlagen mit einer Leistung von rund 1.500 Megawatt und einem Investitionsvolumen von rund 3,6 Milliarden Euro könnten nun „bis zum Jahr 2011 errichtet“ werden, attestiert Thorsten Herdan, Geschäftsführer von „Vdma Power Systems“, dem Fachverband der deutschen Hersteller von Energieerzeugungsanlagen. Durch diese Investitionen würden 25.000 bis 40.000 Arbeitsplätze gesichert.

Auch der Bundesverband Windenergie (BWE) begrüßte das Gesetz: „Die deutsche Windkrafttechnologie wird damit in Nord- und Ostsee ein Schaufenster für eine exportfähige Technologie bekommen“. Kritik an dem Gesetz übt hingegen der Naturschutzbund (Nabu): Die Planungsbeschleunigung, die auch für Verkehrsprojekte gelte, bedeute „eine massive Einschränkung betroffener Bürger und für die Verbände“. Die Einspruchsmöglichkeiten von Umweltorganisationen würden reduziert.

Als erstes Offshore-Projekt in der Nordsee soll 2008 ein Testfeld 45 Kilometer vor der Insel Borkum verwirklicht werden. Die Energieversorger Vattenfall und E.ON, die sich über eine Projekt-Gesellschaft an der Errichtung der Anlage beteiligen, wollen hier Erfahrungen mit dem Bau und Betrieb von Windrädern in großen Wassertiefen sammeln. Die Bundesregierung fördert die schätzungsweise 175 Millionen Euro teure Anlage mit 50 Millionen Euro. In einer Wassertiefe von rund 30 Metern wird die Projekt-Gesellschaft insgesamt zwölf Windenergieanlagen der Fünf-Megawatt-Klasse errichten und auch betreiben.