Im Zweifel wird scharf geschossen

Zwei Schüler im nordfriesischen Leck wollten die Polizei testen und einen Amoklauf vortäuschen. Zu ihrem Glück ließ sie eine Mitschülerin auffliegen. Die Polizei wäre im Zweifel gehalten, die Täter „handlungsunfähig“ zu machen

Mal gucken, wie schnell die Polizei ist: Das war angeblich das Motiv von Schülern des Schulzentrums Leck (Nordfriesland), einen Amoklauf vorzutäuschen. Ein Mädchen hörte auf dem Pausenhof von dem Plan und informierte eine Lehrerin, die wiederum die Polizei alarmierte.

Um die Frage der Jugendlichen zu beantworten: Die Beamten reagierten sofort. Die Schule wurde für den Tag geschlossen, obwohl es keine Anzeichen dafür gab, dass die Schüler tatsächlich einen fertigen Plan oder gar Waffen gehabt hätten. Der Fall, der sich vergangene Woche ereignete, wurde vorgestern bekannt. Den Jugendlichen droht nun eine Strafe. Vielleicht müssen sie die Kosten des Einsatzes bezahlen, sagt Landespolizeisprecherin Jessica Wessel.

Damit sind sie noch glimpflich davongekommen. Denn wären sie zum Beispiel mit Spielzeugwaffen ins Gebäude eingedrungen, hätte die verrückte Mutprobe gefährlich werden können. „Die Polizisten vor Ort müssen davon ausgehen, dass die Lage ernst ist, und sie sind geschult, mit dem Ernstfall umzugehen“, sagt Wessel. Es gilt, den Täter „handlungsunfähig“ zu machen – das beginnt mit einem Gespräch und endet im Extremfall mit einem Schuss, der tödlich sein kann. „Gebrauch der Dienstwaffe mit tragischem Verlauf“, lautet die Formulierung der Sprecherin. Im schleswig-holsteinischen Gesetz fehlt, anders als in anderen Landesverfassungen, der Begriff des „Finalen Rettungsschusses“, also des gezielten Angriffs auf einen Geiselnehmer. Aber der Schuss, der jemanden handlungsunfähig macht, kann eben auch töten: Dies ist erlaubt, um Unschuldige zu retten.

Ob die drohend erhobene Knarre eine Spielzeugwaffe war, lässt sich erst feststellen, wenn der Täter bereits am Boden liegt. Auch Experten erkennen den Unterschied auf ein paar Meter Entfernung nicht. Und die ersten am Tatort sind meist keine Experten, sondern normale Streifenbeamte: „In Erfurt starben die ersten Kollegen, die an der Schule waren“, sagt Wessel. „In so einer Lage zählt jede Minute.“

Wie hart die Polizei im Ernstfall durchgreifen würde, war auch den Lehrern bisher nicht klar. Nach einem Gespräch mit Beamten war der Leiter der Lecker Realschule, Holger Karde, überrascht: „Ich habe nicht gewusst, dass die Polizei die Anweisung hat, die Schule sofort zu stürmen“, sagte er der Lokalzeitung. Die Schule in Leck hat reagiert: Auf dem Gelände werden nun auch Spielzeugwaffen verboten. ESTHER GEISSLINGER