Per Knopfdruck wird Berlin in die Adventszeit befördert – was mit ein paar Tassen Glühwein ganz gut zu ertragen ist
: Charlottenburg leuchtet und die Promis strahlen

Montagnachmittag auf dem Ku’damm: Berliner und Touristen bummeln bei milden Temperaturen den Boulevard entlang. Die Sonne schickt ihre letzten Strahlen über die Dächer. Nur die Drahtgestelle in der Mitte der Straße verraten, was Berlin – und ich – gleich erleiden werden: den Weihnachtsschock.

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ist auf Einladung des Unternehmers Hans Wall an den Joachimstaler Platz gekommen, um Charlottenburg per Knopfdruck in eine andere Zeit zu versetzen. Sie steht neben dem von der Wall-AG betriebenen City-WC und hält ihre Hand auf den Auslöser. „Drei, zwo, eins …“ Erst geschieht – nichts. Dann blinken plötzlich in allen Bäumen die Lichter. Dort, wo vorher nur Draht war, springt nun ein funkelndes Rentier über den Rasen. Eine Blaskapelle in Engelkostümen trötet „Tochter Zion, freue dich“. Einige Helfer mit goldenen Nikolaus-Mützen schenken Glühwein aus.

Am Wochenende haben wir noch gegrillt. Jetzt soll ich hier Advent feiern. Das ist ein bisschen viel verlangt. Aber gut, gegen einen Glühwein ist eigentlich nichts einzuwenden.

Die Firma Wall versorgt Berlin nicht nur mit öffentlichen Klos und Leuchtreklamen, sie sponsert auch die Charlottenburger Weihnachtsbeleuchtung. Damit sich die Gäste gleich daran gewöhnen, treibt Hans Wall die Herumstehenden in einen Bus, der einmal den Ku’damm rauf- und runterfahren soll.

Da sitzen sie also, die Geschäftspartner und Freunde des Hauses Wall: Jörg Schauerhammer, der Chef der Commerzbank in Berlin, mit seiner Frau; Juliane Freifrau von Friesen, vor fünf Jahren kurzzeitig Wirtschaftssenatorin und heute Unternehmensberaterin; Jörg Woltmann, der neue Besitzer der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM), und viele andere. Wenn man in Kreuzberg lebt, kann man leicht vergessen, dass auch das Berlin ist. Die bequeme, wohlhabende Seite der Stadt, eingehüllt in dunkle Anzüge und wollene Mäntel, immer eine feine Spur teuren Parfüms hinter sich herziehend.

Sie alle haben sich den Nachmittag freigenommen, um die Lichter zu bestaunen. „Das habe ich schon in den vergangenen drei Jahren so gemacht. Ist doch schön, einmal den Ku’damm hoch- und runterzufahren“, sagt Freifrau von Friesen. Der Bus schiebt sich durch den Feierabendverkehr, vorbei an einem dicken, leuchtenden Nikolaus, einem Nussknacker, an Sternen und immer mehr Rentieren. Die Welt da draußen sieht niedlich aus, die Gäste sind begeistert. „Schaut mal, der dicke Bär. Das ist ja toll!“, rufen sie, „Köstlich!“, „Klasse!“, und „Ist das nicht putzig, die Lichterketten in den Bäumen und trotzdem noch so viel Laub?“

Dann kommt ein Mann und verbreitet eine unerfreuliche Nachricht: Am Hauptbahnhof soll es noch schöner blinken. Dort funkle ein mit unzähligen Kristallen besetzter Weihnachtsbaum. „Das muss wirklich toll aussehen“, sagt eine Mitfahrerin. Schon sind die Rentiere vor dem Busfenster nicht mehr ganz so spannend. Selbst wenn es einem gut geht, es könnte immer noch besser sein.

Am Joachimstaler Platz steigt die erste Fuhre aus, die zweite ein. Es ist jetzt doch kühl. Nach zwei weiteren Tassen Glühwein zum Aufwärmen fange ich an, bei den Liedern der Blaskapelle mitzuwippen. Was hatte ich eigentlich dagegen einzuwenden, dass sich Tochter Zion freut? Soll sie doch. Und das viele Geblinke in den Bäumen beleuchtet ganz gut die Straße. Ist doch wirklich praktisch.

Die anderen Gäste verabschieden sich. Einige wollen später beim monatlichen Skatabend gesellig beisammen sein. Ich gehe in Richtung Weihnachtsmarkt. Der liegt ja sozusagen auf dem Heimweg. ANTJE LANG-LENDORFF