Neuer Rekord bei ungültigen Stimmen

WAHLANALYSE Bei der Europawahl zeigt sich andauernde Spaltung Berlins zwischen Ost und West bei den Partei-Präferenzen. Beim Volksentscheid gaben 8 Prozent der Wähler keine gültige Stimme zur zweiten Frage ab

„Die Europawahl hat die Beteiligung mit in die Höhe gezogen“

CARSTEN KOSCHMIEDER, FU BERLIN

VON SEBASTIAN HEISER

Berlin ist weiterhin gespalten: Bei der Europawahl wählte der Westen auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch deutlich anders als der Osten. Die AfD gehört zu den wenigen Ausnahmen: Mit 7,7 Prozent im Westen ist sie annähernd so stark wie mit 8,2 Prozent im Osten. Besonders aufschlussreich sind die Hochburgen der Partei. Dazu zählen einerseits Kieze mit hoher Arbeitslosigkeit wie Mahlsdorf-Süd (14,2 Prozent) oder Alt-Hellersdorf (12,1 Prozent), in denen ansonsten die Linke die stärkste Partei ist. Andererseits schneidet die AfD auch in bisherigen FDP-Hochburgen besonders gut ab, so etwa im Villenviertel Grunewald (13 Prozent).

Nur die Grünen sind sowohl im Osten als auch im Westen in ähnlich vielen Wahllokalen die stärkste Partei. In Schöneberg, in ganz Kreuzberg, in erheblichen Teilen von Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Moabit kommt niemand an ihnen vorbei. Die SPD kommt neben ihren West-Hochburgen auf vergleichsweise wenige gewonnene Wahllokale in Pankow und Lichtenberg. Die Linke ist dagegen nur im Osten auf Platz 1, die CDU fast nur im Westen.

Beim Volksentscheid dagegen war überall eine Mehrheit für das Feld, ob in Ost oder West. Auffällig hier die vielen ungültigen Stimmen. Bei der ersten Frage nach der Zustimmung oder Ablehnung zum Gesetzentwurf der Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ waren 66.037 Stimmen ungültig, das entspricht 5,7 Prozent. Bei der zweiten Frage nach dem Gesetzentwurf für eine Randbebauung waren sogar 92.138 Stimmen ungültig, also 8 Prozent. Bei der Europawahl waren nur 1,5 Prozent der Stimmen ungültig. Noch nie zuvor gab es bei einem Volksentscheid so viele ungültige Stimmen, beim letzten vor einem halben Jahr waren es zum Beispiel nur 0,2 Prozent.

Mehrere Gründe sind denkbar. „Das waren vermutlich Wähler, die zwar zur Europawahl eine Meinung hatten, nicht aber zum Tempelhofer Feld“, vermutet Carsten Koschmieder von der Arbeitsstelle Empirische Politische Soziologie am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Das erklärt allerdings nicht, warum die Zahl der ungültigen Stimmen bei der zweiten Frage deutlich höher war als bei der ersten.

Komplizierter Zettel

Da scheint es eher wahrscheinlich, dass die Wähler nur bei einer der beiden Fragen mit „Ja“ gestimmt haben und bei der anderen Frage dann aber kein „Nein“ ankreuzten, sondern gar nichts. Das führt dazu, dass die Stimme bei der einen Frage gültig ist und bei der anderen ungültig. Es war das erste Mal bei einem Volksentscheid, dass zwei Fragen zur Abstimmung standen, der Zettel war damit komplizierter als bei den bisherigen Abstimmungen.

Und es war erst das zweite Mal in der noch jungen Geschichte der Volksgesetzgebung in Berlin, dass ein Volksentscheid erfolgreich war. Im Februar 2011 stimmten die Berliner erfolgreich für eine Veröffentlichung der Verträge zur Privatisierung der Wasserbetriebe, zwei andere Volksentscheide scheiterten am Quorum. „Die Europawahl hat die Beteiligung mit in die Höhe gezogen“, so Koschmieder. „Wer in den Randbezirken wohnt und wenig Bezug zum Feld hat, wäre wohl sonst zu Hause geblieben. Wenn man aber sowieso schon wählen geht, füllt man eher noch einen Zettel mit aus.“

Im Gegenzug hat der Volksentscheid aber offenbar auch die Wahlbeteiligung an der Europawahl in die Höhe gezogen: 46,7 Prozent der Berliner gingen diesmal zur Wahl, fünf Jahre vorher waren es nur 35,1 Prozent.