Ein ungleicher Zweikampf

SPD Kann Martin Schulz noch Kommissionspräsident werden?

AUS BERLIN ULRICH SCHULTE

Auf Twitter ergoss sich Häme über Martin Schulz, als der ankündigte, um das Amt des Kommissionspräsidenten zu kämpfen. „Schulz macht den Schröder!“ Eine Anspielung auf den legendären TV-Auftritt des damaligen Kanzlers nach der Bundestagswahl 2005. Gerhard Schröder, voll mit Testosteron, sprach Angela Merkel die Kanzlerschaft ab, obwohl die Union die Bundestagswahl gewonnen hatte.

Auch Schulz will gewinnen, obwohl er verloren hat. Er gibt das Rennen um den wichtigsten Posten in der EU nicht verloren und ignoriert, dass die europäischen Sozialdemokraten hinter den Konservativen liegen. SPD-Chef Sigmar Gabriel wiederholte am Montag die Deutung, dass Schulz am Ende durchaus noch eine Mehrheit im Parlament hinter sich bringen könnte. Ist das ein kollektiver Realitätsverlust? Oder hat Schulz eine Chance, seinen Konkurrenten Jean-Claude Juncker auszustechen?

Zunächst hinkt der Schröder-Schulz-Vergleich, denn die Lage im EU-Parlament ist ungleich vertrackter als im Bundestag. Der Europäische Rat, also die Versammlung der 28 Regierungschefs, schlägt den Kommissionspräsidenten vor. Erstmals muss er das Wahlergebnis berücksichtigen, so steht es im Lissabon-Vertrag. Eine Mehrheit im EU-Parlament muss diesen Kandidaten wiederum annehmen.

Auf dieses Beschlussrecht des Parlaments gründet sich Schulz’ Hoffnung. Zunächst sind jetzt die Konservativen am Zug, das räumte Gabriel ein. Aber fände Juncker nach Verhandlungen keine Mehrheit im Parlament, müsste der Rat einen anderen Vorschlag machen. Schulz, der Verhandlungsführer der Sozialdemokraten werden soll, argumentiert, dass die Verhältnisse undurchsichtiger sind, als es die Hochrechnungen suggerieren.

So ist etwa nicht klar, ob Silvio Berlusconis Forza Italia weiter zur Europäischen Volkspartei, der EVP, gehören wird. Die Sitzanteile der Fraktionsgemeinschaften könnten sich also noch verändern. Auch sind die Zu- und Abneigungen im EU-Parlament kompliziert. Die Liberalen halten sich offen, für wen Sie stimmen würden, ebenso die Grünen.

Dennoch ist unwahrscheinlich, dass die Sozialdemokraten ihre vollmundigen Ansagen einlösen können. Wegen der komplizierten Mehrheitsverhältnisse im Parlament ist es fast unmöglich, eine Mehrheit gegen eine der starken Fraktionen zu schmieden. Und die Konservativen würden niemals den Unterlegenen zum Präsidenten küren. Ein weiterer Faktor, der gegen Schulz wirkt, ist der Europäische Rat. In ihm sitzen mehrheitlich konservative Regierungschefs, die sich auf das Wahlergebnis berufen werden.

Selbst Angela Merkel, die sich bis zum Schluss alles offen hielt, ließ am Montag über den Unionsfraktionschef ausrichten, dass Juncker ihre Unterstützung genießt. Die markigen Sprüche der SPD muss man deshalb als Auftakt langer Verhandlungen interpretieren. Sie gehören zum Spiel. Und dienen dazu, Positionen zu markieren. Und sei es nur, um Martin Schulz am Ende eine Alternative zu sichern, etwa den Job des deutschen EU-Kommissars.

Und ein Erfolg wird ihm bleiben. Erstmals entscheiden nicht die Regierungschefs über die Kommissionsspitze, sondern die Wähler. Ihm ist zu verdanken, dass diese Europawahl Gesichter bekam. So gesehen wäre sogar ein Kommissionspräsident Juncker ein kleiner Sieg für Schulz.