schurians runde welten
: Auf den Putzbrunn gehauen

„Jetzt kann er sich ganz seinem neuen Hobby widmen, Fallschirm-Springen von der Teppich-Rolle.“ (Max Merkel)

Max Merkel ist nicht mehr. Max Merkel ist tot, Max Merkel ist nicht mehr. Max Merkel ist tot! Ein Kolumnist stirbt und sein Blatt muss lügen. Vorgestern schickte Bild seinen Kolumnisten Max Merkel (87) in Rente, da war Max Merkel aber schon verstorben. Gestern titelte Bild wenig besser: „Rente erst ab 67 – aber für Politiker und Beamte gilt das nicht“. Für Max Merkel auch nicht. So oder so nicht. Bild schrieb, „Merkel wird künftig in Putzbrunn mit seiner lieben Frau Marina seine Rente genießen“, Bild sagte Danke für alles: „Ein großer Mann, ein guter Freund“. Bild lügt.

Zum Mitschreiben: Kann ein Kolumnist mehr erreichen als eine Falschmeldung statt des Nachrufes? Diese Parodie eines Zeitungstodes? Wie wird Franz Josef („Post von“) Wagner wohl gedacht werden?

Max Merkel, der in Deutschland und Spanien Trainer war, als Fußballer noch keine Meinung, keinen Schulabschluss, keine Spielerberater, keinen Geschmack, keine Internetseite zu haben hatten. Merkel, der für Österreich spielte und für Nazideutschland. Merkel, der personifizierte Herrenwitz.

Andererseits, wie hätten es die Kollegen sonst machen sollen? So konnten sie ihrem toten Merkel noch seine „50 besten Sprüche“ nachschubsen und Tags drauf die Kondolenzadressen von Franz Beckenbauer („Er wäre fast mein Trainer geworden“) bis Charly Neumann („Er hat mein Leben geprägt“).

Jetzt kommt mein Nachruf: Max Merkel fabrizierte 28 Jahre lang Sätze, die unterirdischer nicht gehen. Der Wiener hatte dabei die Gabe, Worten einen Geruch zu verpassen, den nach kalten Fehlfarben, nach Stofftaschentüchern, nach Kölnisch Wasser und Johnson‘s Möbelpolitur. Seine Fußballzoten hatten Schuppen, Pomade und einen Kamm in der Hemdtasche. Sie saßen auf der Hollywoodschaukel wie Wespen auf Zwetschgenkuchen. Sie brachten sich Klappsitzkissen mit, liefen in Sandalen und Tennissocken durch Italien, torkelten durch Schinkenstraßen. Deutschland auf Butterfahrt. Ein letztes Fallbeispiel: „In der Freiburger Abwehr wackelt‘s wie am FKK-Strand.“ Merkel war fast schon wieder gut.

2.12. Bochum – Hamburg

Wenn Bild Tote zu Rentnern macht, lasse ich einfach Meistermacher Merkel los auf Hamburg, auf Bochum. „Macht der Koller so weiter, muss er daheim in den Schweizer Alpen höllisch aufpassen – er sieht ja bald aus wie ein Schneehaserl.“ Oder: „Bei diesen Hamburgern wird mir schon schlecht, bevor ich gegessen habe. Da nützt auch kein Holland Ketschup.“ CHRISTOPH SCHURIAN

Fotohinweis: CHRISTOPH SCHURIAN (39) ist Redaktionsleiter der taz nrw. Er schreibt diese Kolumne erst seit acht Jahren.