LESERINNENBRIEFE
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Kritik bestätigt

■ betr.: „Was ist Ihr Albtraum?“, taz vom 26. 5. 14

Karel De Gucht hat der taz ein zum Teil sehr ehrliches Interview gegeben, das die Kritik an dem TTIP-Abkommen leider nur bestätigt. Denn die wenigen Ziele, die die EU „klar definiert“ hat, versucht er auch zu verteidigen: verbesserter Marktzugang, Abbau von Handelshemmnissen und „transparente Regeln zum Investorenschutz“ – transparent insofern als feststeht, dass hiermit Staaten vor privaten Tribunalen ohne jegliche demokratische Legitimierung verurteilt werden können, und dass die beteiligten Staaten dies jetzt schon wissen. Er sagt es selbst: „Es geht um ein Handelsabkommen“, und darin geht es ganz sicherlich nicht um die Verschärfung des Verbraucherschutzes oder des Umweltschutzes.

In diesem Freihandelsabkommen geht es darum, das Diktat des Marktes weiter zu etablieren, deshalb werden ja auch die Industrievertreter um Rat gefragt, die Kritiker lediglich mit Transparenz und Mitbestimmung vorgaukelnden „Konsultationen“ abgespeist. Es ist ein fataler Fehler, wenn nicht sogar eine Lüge einiger Parteien, zu glauben und glauben zu machen, ein faires Freihandelsabkommen durchsetzen zu können: Es widerspricht schlicht dessen eigenen Grundsätzen. Die Behauptung „Handel ist gut für eine Gesellschaft“ ist so lange zulässig, wie die Gesellschaft mit dem Markt verwechselt wird, so lange wie man Wohlstand am BIP und Freiheit am Grade der Liberalisierung misst. Entlarvend ist auch die Feststellung, ein bereits florierender Handel sei „doch kein Grund, warum der Handel nicht noch weiter wachsen könnte“. In der Tat: Wachstum bleibt oberste Maxime – und so lange wird sich eine Politik wohl kaum zu mehr Solidarität, Umweltschutz oder Gerechtigkeit durchringen. LAURIN BERGER, Witzenhausen

Rhetorische Nebelbomben

■ betr.: „Was ist Ihr Albtraum?“, taz vom 26. 5. 14

De Gucht nutzt das Interview für zur Schau stellende rhetorische Nebelbomben. Die Botschaft: „Ihr habt nichts drauf.“ Tatsächlich gewinnt er, wenn es an konkreten kritischen Fakten und Fragen mangelt, wenn es wie ein Promiinterview abläuft. Das Ganze wirkt seit Wochen schlecht vorbereitet. Ich wünsche mir in der taz Infos zum TTIP, was sind die Positionen, was die Gefahren, was die messbaren Vorteile, was Vermutungen? Leute, das ist ein zentrales Thema, keine Petitesse. KAI HANSEN, Nürtingen

Kurz vor der Ratifizierung

■ betr.: „Blockupy-Aktionstag. Wasser auf die Aktivisten“, taz vom 19. 5. 14

Selbst wenn TTIP verhindert wird, können Konzerne mittels Ceta die CO2-Verpressung (CCS) und Fracking durchsetzen. Das Freihandelsabkommen Ceta zwischen EU und Kanada steht kurz vor der Ratifizierung und könnte bald in Kraft treten. Internationale Unternehmen können dann Filialen in Kanada gründen und auf diesem Wege EU-Mitgliedsstaaten vor privaten Schiedsgerichten auf Milliardensummen verklagen. REGINA RENSINK, Stadum

Auf die Finger gucken

■ betr.: „Kampf ums Liberale“, taz vom 27. 5. 14

Jetzt ist die AfD also nach eigenem Bekunden schon Volkspartei. Mahlzeit. Aber das Ergebnis war nach den Umfragen zu erwarten. Viel entscheidender ist, wie sich der vornehme Verein nun positioniert. Haben wir es nur mit einer FDP in unappetitlich zu tun, oder wird die professorale Vornehmheit Bündnissen mit europäischen Rechtsauslegern geopfert? Das Rezept der FDP, auf eine Selbstentzauberung zu setzen, ist nicht nur ineffektiv, sondern gefährlich. Ich denke, hier hat die Presse die Aufgabe, den Herrschaften auf die Finger zu gucken. Von der taz darf man da mit Recht einiges erwarten. OLIVER HANNAPPEL, Mühltal

EU hat Identitätsproblem

■ betr.: „Di Lorenzo entschuldigt sich“, taz vom 27. 5. 14

Giovanni di Lorenzo geht mal hier, mal da wählen, die Mächtigen grummeln „Wahlfälschung nach Paragraf 107 a StGB“ und sehen ihn schon neben Uli Hoeneß braten. Diese „Straftat“ legt den Finger auf eine der vielen offenen Wunden der EU: Wir wählen national mit überregionaler Wirkung.

Giovanni di Lorenzo hat nicht drüber nachgedacht und hat unterbewusst nichts anderes ausgedrückt, als dass er beide Länder seiner Eltern liebt und sich ihnen zugehörig fühlt. Sein Verhalten zeigt, dass die EU, nicht er, ein Identitätsproblem hat. Dass sie, die EU, uns bei den Wahlen alle zu Nationalisten stempelt, die dann in Brüssel zu Europäern mutieren sollen. So geht das nicht. Das ist, als würden wir die Landräte regional wählen, die dann den Bundestag bestimmen.

Freie, grenzübergreifende Wahlen, das steht zwischen den Zeilen der Di-Lorenzo-Tat, müssen her. MICHAEL MARESCH, München

Dummheit und Arroganz

■ betr.: „Di Lorenzo entschuldigt sich“, taz vom 27. 5. 14

Der Chefredakteur der Wochenzeitschrift Die Zeit gibt bei der Europawahl als Deutsch-Italiener zwei Mal seine Stimme ab und entschuldigt sich: Ein Versehen. Zu oft gehen Dummheit und Arroganz der Elite Hand in Hand. WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen