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: Die letzte Lebenslüge

Jürgen Rüttgers hat eine schlechte Woche. Nach dem suboptimalen Verlauf des CDU-Bundesparteitags in Dresden lieferte der NRW-Regierungschef einen schlecht gelaunten Talkshow-Auftritt bei „Hart aber fair“ ab und muss nun zusehen, wie ein Parteifreund nach dem anderen seinen großen Reformplan zur Hartz-Revision politisch beerdigt. Zeitgleich darf die Bundesregierung eine Wende am Arbeitsmarkt feiern – wer will da noch vom Arbeitslosengeld I sprechen? Falls es weiter so negativ läuft, wird am Wochenende noch Polonium in der Staatskanzlei gefunden.

KOMMENTAR VON MARTIN TEIGELER

Schlechtes Timing, schlechte Performance, schlechtes Management – Rüttgers ist dabei, seinen stuntmanhaften Sprung in die Bundespolitik gründlich zu verpatzen. Der NRW-Parteichef hat dabei nicht einmal mehr die volle Unterstützung seines Landesverbands. Selbst NRW-Christdemokraten in der Bundestagsfraktion der Union unterstützen den Rüttgers-Plan eher halbherzig bis gar nicht.

Was Rüttgers anderen ständig vorwirft, hat er selbst gemacht: Er hat an eine Lebenslüge geglaubt. Es war grob verfälschend, den CDU-Landesverband NRW als sozialen oder linken Landesverband innerhalb der Bundespartei zu positionieren. Historisch gesehen hatte die Rheinruhr-CDU lange Zeit einen Sozialpolitiker wie Norbert Blüm an der Spitze – aber ebenso wichtig waren auch konservativ-liberale Politiker wie Kurt Biedenkopf. Die aktuell bekannteren CDU-Bundespolitiker aus NRW (Bosbach, Merz, Hildegard Müller) sind alles andere als antikapitalistische Kämpfer. Der einst jahrzehntelang in Rheinländer und Westfalen gespaltenen NRW-CDU einfach das Label „Sozial“ anzupappen, war ein geschickter PR-Trick von Rüttgers‘ Spindoktoren. Für die Tagespolitik taugt das schicke Image wenig. Darum dürfte das bundespolitische Comeback des Ex-Zukunftsministers von Helmut Kohl in den nächsten Wochen scheitern. Jürgen Rüttgers wäre dann der Axel Schulz der Bundespolitik.