BESUCHT EIN EUROPÄISCHES KÖNIGSPAAR NIEDERSACHSEN, DANN IST DAS ERFREULICHER, ALS KÄME, SAGEN WIR, EIN DEMOKRATISCH GEWÄHLTER POPULIST WIE SILVIO BERLUSCONI
: Ihre Majestät isst eine Erdbeere

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Was mich wirklich selbst in meiner eigenen Einstellung spaltet, das sind Königshäuser. Ich lehne die Existenz von Königen grundsätzlich ab. Es hat keine Könige und Königinnen zu geben, keine Prinzessinnen und keine Prinzen, sie sind Anachronismen. Es beleidigt meine Intelligenz und es beleidigt auch mein Gerechtigkeitsgefühl, wenn jemand allein aufgrund seiner Geburt zu einer hohen Stellung kommen können soll.

Allerdings kommen ziemlich viele Menschen allein durch ihre Geburt zu einer besseren Stellung als andere. Manche sogar zu einer ziemlich besseren Stellung, das nennt man dann Geldadel. Und das ist vielleicht ebenso ungerecht wie die Existenz eines Königshauses.

Mein Wissen über die europäischen Königshäuser beschränkte sich bisher auf die Lektüre der abgegrabbelten Zeitungen beim Zahnarzt und auf einen Fernsehbeitrag von und mit Hape Kerkeling als Königin Beatrix. Die echte Königin Beatrix ist abgetreten und König Willem-Alexander reagiert nun mit seiner entzückenden Frau Máxima unsere Nachbarin, die Niederlande.

Eine angeheiratete Königin ist immer entzückend. Das ist ihre Aufgabe, und dazu muss sie auch noch wohltätig sein und ein ausgleichendes Element mit in die Ehe bringen, Königinnen sollen idealerweise immer ausgleichend sein, sie können sich mehr zum Volk herablassen als ein König, und auch über Königin Máxima wird gesagt, dass sie volksnah ist. Man weiß nicht genau, was das ist, vielleicht geht sie abends einfach mal ins Kino, sieht sich einen Film an und trinkt dazu ein Bier. Zwischen nichtköniglichen Menschen. Aber wahrscheinlich nicht, wahrscheinlich ist etwas Anderes gemeint. Wahrscheinlich ist gemeint, dass sie sich in das Volk einfühlen kann. Obwohl sie selbst ja kein Volk ist. Sie ist eine Königin.

König Willem-Alexander war mit seiner enzückenden Frau Máxima in Niedersachsen zu Besuch, in Oldenburg, Leer und in Werlte im Emsland, und aus den Nachrichten konnten wir erfahren, dass Königin Máxima eine Erdbeere aß und dabei schön aussah. Schön aussehen ist auch wichtig für Königinnen. Eine Königin sieht schön aus in schönen Kleidern, das weiß schon das kleinste Mädchen. Empfangen wurde das Königspaar von Ministerpräsident Stephan Weil, Oldenburgs Oberbürgermeister Gerd Schwandner und jeder Menge von Leuten mit Jubel und Fähnchen und Krönchen auf dem Kopf. Man sieht nicht alle Tage einen König und eine Königin. Man freut sich einfach.

Und da ist der Punkt, wo ich gespalten bin. Sähe ich eine Königin und einen König, vorausgesetzt, ich würde sie erkennen, dann würde ich mich auch freuen. Ich verspüre weniger Ärger über den Anachronismus eines Königreiches und eines Königshauses, als ich es vielleicht sollte. Ich habe mir in Schweden vor Jahren eine Postkarte des Königspaares gekauft, die hängt immer noch an meiner Pinnwand.

Das Königreich der Niederlande wird nicht schlechter regiert als die Bundesrepublik, die über eine demokratisch gewählte Bundeskanzlerin verfügt. Die Arbeitslosigkeit ist gering, sie haben dort einen liberalen Umgang mit Drogen und als erste die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt. Gewählt wird immerhin auch in den Niederlanden, nämlich das Parlament. Dass auch da rechte Populisten auf dem Vormarsch sind, liegt nicht am König, das liegt an der Demokratie.

Die Frage ist: Möchte man lieber von einem durch Demokratie oder durch Erbfolge an die Macht gelangten Populisten regiert werden? Silvio Berlusconi ist durch demokratische Wahlen zum Ministerpräsidenten Italiens geworden. Adolf Hitler wurde auf diese Art Reichskanzler. Und welche Menschen sind nun mehr zu verurteilen – die mit Krönchen und Fähnchen einem Königspaar zuwinken, oder die, die einen Diktator wählen? Die menschliche Dummheit ist unermesslich, der Hang des Menschen zum romantischen Kitsch auch. Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012 bei Rowohlt. Am 19. Juni liest sie im Literaturhaus Hamburg aus ihrer Erster-Weltkriegs-Quellenrecherche „Schwarze Schatten“