Genossen haben Masterplan

Zwei Zechen, zehn Millionen Fördertonnen, 12.500 Arbeitsplätze – die NRW-SPD hat ein Konzept für die Zukunft des Steinkohle-Bergbaus vorgelegt. Forscher und Grüne kritisieren den Plan

VON HOLGER PAULER
UND MARTIN TEIGELER

Hannelore Kraft will die deutsche Steinkohle retten. Die Oppositionsführerin präsentierte gestern einen fast pedantisch detaillierten Generalplan für einen so genannten „Sockelbergbau“, einen Grundstock an Steinkohle-Förderung über das nächste Jahrzehnt hinaus. Kraft will den Erhalt von zwei Bergwerken – mit 1.100 Lehrlingen, 12.500 Dauerarbeitsplätzen und 16.000 Jobs im Zulieferbereich. Zehn Millionen Tonnen Steinkohle sollen pro Jahr gefördert werden. „Dazu bräuchte man jährlich etwa 700 Millionen bis eine Milliarde Euro an Subventionen“, sagte die NRW-SPD-Fraktionsvorsitzende in einem Zeitungsinterview. Welche der derzeit noch acht aktiven Zechen offen bleiben sollen, sagte sie nicht.

Wenige Tage nach dem Scheitern des Berliner Spitzengesprächs zur Zukunft der Kohleförderung geht die Landes-SPD damit erneut in die Offensive. Bei dem Gipfel mit den kohlekritischen CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (NRW) und Peter Müller (Saarland) hatte SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück den Vorschlag für einen Sockelbergbau eingebracht und so eine Einigung über ein Auslaufen des Bergbaus bis 2018 verhindert. Nach taz-Informationen hatten NRW-Sozialdemokraten in Parteipräsidium und Bundestagsfraktion die Rote-Sockel-Kampagne vorbereitet. Ex-Ministerpräsident Steinbrück muss sie nun umsetzen.

Kraft betont selbstbewusst, die NRW-SPD sei sich mit ihren Vorderleuten in Berlin – Parteichef Kurt Beck, Vizekanzler Franz Müntefering und Bundesfinanzminister Steinbrück – einig. „Wir haben mit Beck, Müntefering, Steinbrück die gleiche Interessenlage“, sagt sie. Auch die Bergbaugewerkschaft IG BCE stehe voll hinter der SPD-Forderung. Aus energiepolitischer Sicht müsse der Zugang zu den Lagerstätten offengehalten werden.

„Ich halte absolut nichts von diesem SPD-Vorschlag“, sagt Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Das SPD-Konzept für einen „Sockelbergbau“ sei volkswirtschaftlich sinnlos. „Jede Tonne, die in Deutschland gefördert wird, verursacht schwere ökonomische und ökologische Folgeschäden“, so Frondel.

Auch der ehemalige Koalitionspartner in Düsseldorf distanziert sich vom Masterplan der Genossen. „Das ist eine Lebenslüge der SPD“, sagt Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. „Die Forderung nach einem Steinkohlesockel ist totaler Unfug.“ Priggen bezweifelt zudem, dass zwei Zechen die geforderte Förderung von 10 Millionen Jahrestonnen leisten könnten. „Dafür müssten mindestens drei oder vier Zechen her.“ In diesem Fall würden auch die Subventionen steigen. „Mit einer Milliarde pro Jahr kommen wir nicht aus“, so Priggen. Es sei ein solidarischer Akt, den Bergbau im Jahr 2018 ohne betriebsbedingte Kündigungen auslaufen zu lassen. Priggen: „Die Mitarbeiter von BenQ wären froh, wenn es für sie eine vergleichbare Regelung gebe.“

Weitere Zechenschließungen in NRW sind jedenfalls unvermeidbar. Im Zuge der nationalen Steinkohlevereinbarung zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und dem RAG-Konzern wurde vereinbart, bis zum Jahr 2012 fünf Bergwerke zu schließen. Die Kohleförderung sollte dadurch auf 16 Millionen Tonnen zurückgefahren werden. Die Zechen Warndt/Luisenthal im Saarland und Lohberg/Osterfeld bei Dinslaken haben bereits im vergangenen Jahr den Betrieb eingestellt, Mitte 2008 sollen die Zeche Walsum und ein Jahr später die Zeche Lippe in Gelsenkirchen dicht gemacht werden. Der Beschluss über eine fünfte Zeche steht noch aus. Sollte zudem das Bergwerk Saar in Ensdorf schließen, könnte die Förderung bis zum Jahr 2012 sogar auf 12 Millionen Tonnen sinken. Vier Bergwerke wären dann noch aktiv.