Häfen zwischen Wahn und Sinn

Nationale Hafenkonferenz in Hamburg: Naturschützer fordern eine koordinierte Politik, die nicht mit Steuergeld die Zerstörung von Elbe und Weser finanziert. Bund und Küstenländer setzen dagegen auf den weiteren Ausbau der maritimen Wirtschaft

Von Sven-Michael Veit

Ein Ende des „Hafenwahns“ in Norddeutschland fordern die Umweltverbände World Wide Fund for Nature (WWF) und Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Chancen aber stehen schlecht, dass sie bald erhört werden. Auf der 5. Maritimen Konferenz, die am Montag in Hamburg stattfindet (siehe Kasten), wird in erster Linie der weitere Ausbau des „maritimen Hightech-Standorts Deutschland“ auf der Tagesordnung stehen. Das hat die Maritime Koordinatorin der Bundesregierung, Dagmar Wöhrl (CSU), im Interview mit der taz nord angekündigt (siehe unten).

Die ungebrochene Konkurrenz der großen Häfen Hamburg, Bremen und Bremerhaven sowie künftig des geplanten neuen Tiefwasserhafens JadeWeserPort „kostet die Steuerzahler bis zu 3,3 Milliarden Euro“, kritisiert hingegen Beatrice Claus, Hafenexpertin des WWF. In einer jetzt vorgelegten Studie hat Claus die gesamten Investitionen von Bund und Ländern in den Ausbau der Häfen bis 2010 unter die Lupe genommen. Ihr Ergebnis lautet: „Steuerverschwendung für Naturzerstörung“.

Der Bau des JadeWeserPorts würde mal eben 1,1 Milliarden Euro verschlingen, die gleichzeitige Vertiefung von Elbe und Außenweser für künftige Containerriesen weitere 400 Millionen Euro. Mindestens eines dieser beiden Vorhaben sei überflüssig, findet der WWF.

„Faktisch würden durch die Flussvertiefungen und den Neubau des JadeWeserPorts drei Tiefwasserhäfen entstehen, die um dieselben, größten Containerschiffe der Welt konkurrieren. Durch eine standortübergreifende Hafenplanung mit einem klugen Logistikkonzept könnten die Infrastrukturkosten für zwei Standorte gespart werden“, resümiert Claus. Rüdiger Rosenthal vom BUND teilt diese Kritik: „Drei Häfen sind nicht dreimal soviel wert wie ein Hafen.“ Volkswirtschaftlich notwendig sei eine „Arbeitsteilung zwischen den Hafenstandorten“. Zudem würden die Ausbaggerungen der Flüsse „die ökologischen Probleme noch verschärfen“, warnen WWF und BUND übereinstimmend. Stattdessen müssten die „ökologisch ohnehin schon stark geschädigten Flüsse Elbe und Weser besser geschützt werden“.

Eine koordinierte deutsche Hafenstrategie forderte bereits im Sommer ein Gutachten der Schweizer Institute Prognos und ProgTrans im Auftrag des Bundesumweltministeriums (taz berichtete). Der „extreme Wettbewerb“ um Container müsse einer „standortübergreifend abgestimmten Planung“ weichen, heißt es in der 205-seitigen Expertise.

Die bisherige Politik der regionalen Standortförderung für einzelne Hafenstädte müsse deshalb „einer Politik der Entwicklung des Seehafenstandorts Deutschland in seiner Gesamtheit“ weichen. Nur gemeinsam könnten die Nordseehäfen „auch zukünftig als starker Player auf dem Weltmarkt bestehen“.

Das Gutachten hatte 2004 der damalige grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin in Auftrag gegeben in der Hoffnung, den Wettlauf der Häfen um Subventionen aus dem Bundeshaushalt stoppen zu können. Die Expertise, die jeden Standort untersucht und mit den nordeuropäischen Hauptkonkurrenten Rotterdam und Antwerpen verglichen hat, liefert dafür zahlreiche gute Argumente. Zudem empfehlen die Schweizer Gutachter, eine feste Konferenz „Seehafenstandort Deutschland“ einzurichten, um „das gemeinsame Auftreten auf dem Weltmarkt“ festzulegen.

In einer ersten Bewertung zeigte sich das mittlerweile vom niedersächsischen Sozialdemokraten Sigmar Gabriel geführte Umweltministerium aufgeschlossen. Die Expertise solle Teil des „Masterplans Güterverkehr und Logistik“ werden, ließ Gabriel mitteilen, und Grundlage für die Maritime Konferenz in Hamburg sein.

Die neue Bundeshafenbeauftragte Wöhrl hingegen erteilt dem nun eine klare Absage. Das Schweizer Gutachten missachte die politische Beschlusslage, befindet sie. Da werden Wöhrl und Gabriel am Montag auf der Konferenz einiges miteinander zu besprechen haben.