Ein gutes Jahr

China kündigt bessere Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten bis einschließlich Olympia an. Keine Veränderungen für inländische Medien

Aus Peking Jutta Lietsch

Ausländische Korrespondenten, TV-Teams und Fotografen dürfen ab Januar 2007 durch China reisen und Bürger interviewen, ohne vorher bei den örtlichen Behörden eine Genehmigung einholen zu müssen. „Es ist nur noch die Einwilligung des Interviewpartners nötig“, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Liu Jianchao, gestern in Peking vor Journalisten.

Die neuen „Vorschriften über die Berichterstattung in China während der Olympischen Spiele und der Vorbereitungszeit“ hat Regierungschef Wen Jiabao persönlich unterzeichnet. Die Lockerung beschränke sich nicht auf Berichte über Olympia, auch politische, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Themen gehörten dazu, erläuterte Liu.

Für ausländische Journalisten in China bedeutet dies: Keine lästigen Anrufe mehr bei den gefürchteten Außenämtern der Behörden, die in der Regel dazu da sind, Journalistenbesuche zu überwachen oder ganz zu verhindern. Örtlichen Kadern dienten die aus dem Jahr 1990 stammenden Regeln immer wieder als Vorwand, unerwünschte Berichterstatter festzunehmen, ihre Notizen, Kameras und Handys zu untersuchen und auf einer schriftlichen „Selbstkritik“ zu bestehen. Mehrfach wurden Reporter sogar verprügelt, ihre chinesischen Gesprächspartner festgenommen. Deshalb hatten internationale Medien und Regierungen Peking in den letzten Jahren immer wieder aufgefordert, die Korrespondenten freier arbeiten zu lassen, so wie es chinesischen Journalisten in Europa möglich ist.

Der Club Ausländischer Korrespondenten in China (FCCC) begrüßte gestern die Lockerung und forderte die Regierung zugleich auf, nach dem Ende der Olympischen Spiele im Oktober 2008 nicht, wie vorgesehen, zu den alten Regeln zurückzukehren. Außerdem sei es wichtig, dass chinesische Interviewpartner und andere Informanten wegen ihrer Kontakte zu ausländischen Medien nicht in Schwierigkeiten geraten.

Unter dem Vorwand, „Staatsgeheimnisse verraten“ oder Unruhe gestiftet zu haben, werden Chinesen oft besonders hart dafür bestraft, dass sie ausländische Medien über politische oder soziale Entwicklungen informieren. Ein neuer Gesetzentwurf, der 2007 verabschiedet werden soll, sieht überdies vor, dass alle – chinesische wie ausländische – Journalisten über Katastrophen oder Notfälle nur berichten dürfen, wenn dies von den Behörden ausdrücklich erlaubt wird. Wie hart Chinas Behörden weiterhin mit heimischen Journalisten und Kritiker umgehen, musste gestern in Peking der seit 2004 inhaftierte Mitarbeiter der New York Times, Zhao Yan, schmerzlich erfahren: Trotz internationaler Proteste bestätigte das höhere Pekinger Volksgericht gestern seine dreijährige Gefängnisstrafe, zu der er nach einem äußerst fragwürdigen Verfahren im August verurteilt worden war, obwohl er vom Vorwurf des Geheimnisverrats freigesprochen wurde. Zhao wurde offenkundig ein Bericht der Zeitung über Machtkämpfe in der KP-Führung zum Verhängnis.

Die Behörden bestätigten gestern noch einen weiteren skandalösen Richterspruch: Der blinde Bürgerrechtler Chen Guangcheng, der die Öffentlichkeit über illegale Zwangsabtreibungen in der ostchinesischen Provinz Shandong informiert hatte, wurde wegen „Beschädigung öffentlichen Eigentums und der Organisation von Gesindel, um den Straßenverkehr zu stören“ für vier Jahre und drei Monate ins Gefängnis geschickt, ein Berufungsgericht hatte das erste Urteil kassiert. Auch beim zweiten Verfahren wurden laut Berichten von Juristen Zeugen unter Druck gesetzt und Verteidiger heftig behindert.