Kompromiss ohne Zugkraft
: KOMMENTAR VON GEORG LÖWISCH

Der Rauch-Kompromiss hat keinen Glanz, aber das haben Kompromisse selten. Die Rauchverbieter der Koalition, hauptsächlich sozialdemokratisch, tragen nun mit, dass der Qualm nur in Restaurants verboten wird, in Kneipen aber nicht. Die Tabakfreunde, hauptsächlich in der Union, haben ebenfalls zurückgesteckt, denn sie wollten eigentlich gar keine gesetzlichen Rauchverbote. Wenn Kompromisse auch immer ein bisschen holperig und murkelig sein müssen, sollten sie doch einen Vorteil haben: beschlussfähig sein.

Nun, nachdem die sechsköpfige Arbeitsgruppe einig ist, stellt sich die Frage, wie weit ihr Kompromiss kommt. Man kann sie sich als Team beim Kindergeburtstag vorstellen, das ein rohes Ei auf einem Löffel über die Wiese balancieren muss. Der Kitzel wird noch erhöht: Andere Kinder dürfen Fußangeln auslegen oder Schokoküsse werfen. So werden die nächsten Wochen ablaufen: Expertenanhörung, Hinterzimmergespräche, Fraktionsfeilschen.

Für die Tragfähigkeit der Einigung spricht immerhin die Besetzung der Arbeitsgruppe. Gesundheits- und Verbraucherministerium waren eingebunden, Qualmgegner aus der SPD, die zaghaften Gesundheitspolitiker der Union, selbst die Gaststättenlobbyisten beider Fraktionen. Die Erfolgschancen des Kompromisses erhöht auch die Tatsache, dass den Nichtrauchern nun ein Versprechen gegeben wurde: zumindest kein qualmbedingtes Krebsrisiko nach dem Restaurantbesuch, kein stinkender Pullover nach der Disco. Damit wird die wirksamste Waffe der Tabakfreunde im Bundestag unbrauchbar: Brummeln und Nichtstun.

Die Einigung hat jedoch die Schwäche, dass sie die Menschen nicht gleich behandeln will – im Widerspruch zum Grundgesetz. Beispiel: Die Kellnerin einer Cocktailbar wird schwanger. Sie weiß, dass der Qualm ihr Kind gefährdet. Gegen ihren Arbeitgeber vor Gericht ziehen, jetzt, bevor sie Mutter wird? Sie kann eine Fehl- oder Frühgeburt riskieren – oder den Job aufgeben. Wäre sie dagegen in einem Speiserestaurant angestellt: kein Problem. Hier gilt ja Rauchverbot. Genau diesen logischen Bruch will die Koalition vermitteln – und hier wird es dem Kompromiss an Durchschlagskraft fehlen.

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