Letztlich nur die zweite Wahl

EUROPAWAHL IM FELDSCHATTEN

Daumen hoch, Daumen runter. Schön, so ein kurzer Prozess

Wenn man sich zum Beispiel mal die Berliner Sozialdemokraten herausgreift: Die haben ganz ordentlich zugelegt am Sonntag bei der Europawahl. Dass aber noch nicht einmal von einem verhaltenen Jubel zu hören war bei den Genossen, lag eben daran, dass es da neben der Europawahl noch den Volksentscheid zum Tempelhofer Feld gab – und da ging die Sache für den Senat und damit auch die SPD eben glatt verloren.

Aber nicht nur für die SPD spielte im direkten Vergleich mit dem lokalen Aufreger Tempelhofer Feld Europa letztlich nur die zweite Geige – sondern auch für den Wähler. Hatte man vor dem Volksentscheid vonseiten der Initiative 100 % Tempelhofer Feld darauf gedrängt, den Tag der Entscheidung nur ja auf den der Europawahl zu legen, damit auch genug Menschen sich bemüßigt fühlen, an der Wahl teilzunehmen, scheint es doch eher andersherum gewesen zu sein. Beteiligten sich an der letzten Europawahl 2009 nur etwa 35 Prozent der Berliner, waren es diesmal mehr als 46 Prozent. Ein Zugewinn von mehr als 10 Prozentpunkten – davon würde man bei der SPD nicht einmal zu träumen wagen.

Eine Erklärung für das gesteigerte Wählerinteresse: die Unmittelbarkeit, mit der sich der Bürger betroffen fühlt. Natürlich weiß man, dass Europa mit der EU bis in die kleinsten Alltagsfragen hinein von entscheidender Bedeutung ist. Nur ist es so, dass man diese Entscheidungen auf dem langen Weg von seinem kleinen persönlichen Kreuzchen in der Wahlkabine bis zu irgendwelchen neuen Verordnungen aus dem Blick verliert. Ratzfatz dagegen so ein Volksentscheid. Daumen hoch, Daumen runter. Schön, so ein kurzer Prozess.

Das wäre ja überhaupt ein zukunftsträchtiges Mittel, um gegen die oft diagnostizierte Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit der Bürger anzugehen: einfach bei jeder Wahl gleich noch einen Volksentscheid mit in die Wahlkabine packen.

THOMAS MAUCH