Gedichte mit Wucht von Geschichte

AUSZEICHNUNG Der Lyriker Jürgen Becker bekommt wichtigen Büchnerpreis

BERLIN taz | Es ist ein Preisträger für Insider. Jürgen Becker, geboren 1932, hat sich im vergangenen halben Jahrhundert mit Lyrik und dem Roman „Aus der Geschichte der Trennungen“ (1999) einen festen kleinen Leserkreis erschrieben. Außerdem war er in der WDR-Hörspielredaktion, beim Rowohlt und beim Suhrkamp Verlag an Schaltstellen des Literaturbetriebs tätig. Wie am Freitag bekannt wurde, wird er dieses Jahr mit dem immer noch renommiertesten deutschen Literaturpreis, dem Büchnerpreis, ausgezeichnet. Der Preis wird traditionell Ende Oktober bei der Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehen und ist mit 50.000 Euro dotiert.

„Das Ende der Landschaftsmalerei“ und „Dorfrand mit Tankstelle“ heißen Beckers bekanntesten Gedichtsammlungen. Seine Lyrik beschwört Naturbilder und Geschichtsreste, vor allem Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. In dem Gedicht „Zeitzeugen“ etwa wird der Gesang von Amseln evoziert und in einem Atemzug mit Tieffliegern und Maschinengewehren genannt. In seinem Band „Foxtrott im Erfurter Stadion“, der Erinnerungen an seine Kindheitslandschaft enthält, heißt es lapidar: „vermutlich sind die Vorgärten / vermint“.

„Es geht hier immer um die ganze Wucht von Geschichte, die die Menschen und die Landschaften gleichermaßen trifft“, so hat es der Autor Jochen Schimmang in einem Porträt Jürgen Beckers für die taz aus Anlass von dessen 75. Geburtstag ausgedrückt. In der Begründung der Jury für die Preisvergabe heißt es über Beckers Gedichte: „Bei aller bildlichen Brillanz und aller Lust am leuchtenden Detail der umgebenden Natur erkunden sie stets eine von den Spuren der Geschichte und ihren Katastrophen gezeichnete Landschaft.“

Nach acht Jahren ist dies wieder einmal ein Büchnerpreis für Lyrik. 2006 war Oskar Pastior als Preisträger auserkoren worden, dann aber kurz vor der Verleihung verstorben. In den vergangenen Jahren hatten die Erzähler dominiert. 2013 bekam Sibylle Lewitscharoff den Büchnerpreis. DRK