Der Weihnachtsbaum des Anstoßes

Darf eine Lichtertanne einen barbusigen, silbernen Torso tragen? Vielleicht – aber nicht in Vegesack

„Dieser Baum des verhöhnt das Weihnachtsfest“, haben sie geschrieben. Und: „Ich protestiere.“ Die Zettel hängen jetzt, in Klarsichthüllen verpackt, mit unzähligen Unterschriften versehen und fein säuberlich mit Schnürchen befestigt, zwischen den Zweigen. Mitten in der Vegesacker Fußgängerzone. Neben den Paketchen mit Schleifen obendrauf. Und neben all dem Krimskrams, den die Studierenden der Vegesacker International Academy of Art (IAA) gesammelt haben, um ihn, wie angekündigt, als Weihnachtsbaum-Deko zweckzuentfremden. Alles in pink-silber, wohlgemerkt.

So kam auch der Stein – besser: der Torso – des Anstoßes an seinen Platz. Ein Vegesacker Geschäftsmann spendete den Schaufenster-Müll. Die Studis sprühten ihn silbern an. Und setzten ihn auf die Spitze des Baums. Barbusig.

Ein „konsumkritisches“ Denkmal solle der Baum sein, der „zum Nachdenken anregen soll, was wir aus diesem Fest gemacht haben“. Sagt Patricia Feuß, Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbands City-Marketing Vegesack e. V., der die ganze Aktion initiiert hat. „Kein traditioneller Weihnachtsbaum!“, betont sie. Auch wenn die Fichte mit den Lichtern auf den ersten Blick vielleicht so aussieht.

Es ist so lange nicht her, da klagten die Vegesacker Kaufleute, gebeutelt von der Konkurrenz im Haven Hövt, noch über Ebbe in der Kasse. Dann kam ein blaues Lichtband ins Pflaster und Künstler als Zwischenmieter in die leer stehenden Geschäfte. Alles Promotion. Der Weihnachtsbaum, vor zehn Tagen aufgestellt, schaffte es prompt bis ins Fernsehen. Was die Umsätze angehe, sagt Feuß, sei man inzwischen „ganz zufrieden“.

Dass die Sabotage-Drohungen gegen den Torso wahr werden, fürchtet sie nicht. Acht Meter – „das ist zu hoch“. Trotzdem hat sie, „gemeinsam mit den Studenten“, dem Torso am Donnerstagabend „einen Schal verpasst“: aus Wolle, gestrickt, und pink-weiß gestreift – „um den Ärger ein bisschen zu dämpfen“. Jetzt darf bloß der Wind nicht so stark pusten. Weil sonst der Schal die Brust nicht mehr verhüllt. sim