Überseestadt als Probe-Babel

Unter dem Zeichen der Sprachenvielfalt: Auf der „profile intermedia“ diskutierten Designer über Verständigung und Verwertung. „Morgen wollen wir das verkaufen“, sagt Bernd-Artin Wessels

Von Christian Jakob

„Die Design-Welt blickt nach Bremen, doch im eigenen Land gilt der Prophet nichts“: Zum neunten Mal richtete am Wochenende die Hochschule für Künste (HfK) die „profile intermedia“ aus, einen internationalen Design- und Kunstkongress. Der hohe fachliche Anspruch und die Interdisziplinarität des Kongresses würden weltweite Beachtung finden, sagte Kurator und HfK-Professor Peter Rea. Leider jedoch nehme die Bremer Öffentlichkeit die Veranstaltung kaum wahr. Dies könnte mit den Eintrittspreisen zusammenhängen. Nicht weniger als 550 Euro verlangt die HfK für ein reguläres 3-Tages-Ticket.

So handelte es sich bei den 900 Gästen, die den Weg in die Überseestadt gefunden hatten, denn auch vorwiegend um Fachbesucher. Video-Animation, Magazin-Design, Typographie – mit Vorträgen und Workshops konnten Profis und Studierende für die Praxis lernen. Doch auch eine ideelle Klammer sollte den Kongress umschließen.

„Der Turmbau zu Babel“ hatte Rea in diesem Jahr als Motto der „profile intermedia“ gewählt: die biblische Geschichte von kultureller Desintegration und gesellschaftlichem Zerfall, hervorgerufen durch das Sprechen unterschiedlicher Sprachen. Um den alttestamentarischen Fatalismus auch weniger bibelfesten Besuchern zu verdeutlichen, hatte Rea ein Wittgenstein-Zitat auf die Kongressmaterialien drucken lassen: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“

Zu eigen machen wollte sich Rea die Vorstellung, dass der Gebrauch semantischer Codes notwendig kognitive Grenzen absteckt und somit Verständigung ausschließt, allerdings nicht. „Wir glauben die Geschichte, dass die Welt in Unordnung ist, weil wir uns nicht miteinander verständigen können, nicht“ verkündete Rea. Das Erleben von Differenz sei eine Bereicherung. Und Verständigung dennoch zu ermöglichen, die Anforderung an moderne Formensprache.

Als gelungenes Beispiel für derlei Brückenschlag hatte Rea den Star unter den rund 1,5 Millionen Designer Chinas nach Bremen geholt: Xiao Yong, derzeit künstlerischer Leiter der olympischen Spiele 2008 in Peking. Seine Entwürfe für die Siegermedaillen mochte Yong nicht präsentieren, dafür demonstrierte er eindrucksvoll die Entwicklung der Piktogramme für das Sportereignis, eine gelungene ästhetische Fusion 3.000 Jahre alter chinesischer Schriftzeichen mit westlicher Gebrauchsgrafik.

Vergleichsweise kleinteilig blieb hingegen Yongs ideeller Anspruch: „Die Olympischen Spiele sind sehr wichtig für China. Sie verleihen der Führung einen Blick für die Bedeutung von Design“, sagte Yong bei seinem Vortrag – mehr nicht. Als Chance für sozialen Fortschritt mochte er die Spiele offensichtlich nicht begreifen.

Auch Bernd-Artin Wessels, Beiratsvorsitzender und oberster Spenden-Beschaffer der „profile intermedia“ hat eher handfeste Aspekte praktischer Inwertsetzung denn ideellen sozialen Fortschritt im Blick: „Kultur ist ein Teil der Wirtschaft.“ Auf dem Kongress entwickelten „kreative junge Leute dass, was wir morgen verkaufen wollen“. Deshalb müsse die Wirtschaft diesen kreativen Nachwuchs als eine ihrer Existenzgrundlagen begreifen und entsprechend fördern.

Wessels bedauert: „Leider wird das in der Bremer Handelskammer nicht immer so gesehen.“ Wo Raum für schöpferische Arbeit herkommen soll, die sich keiner kapitalistischen Verwertung zuführen lässt, führte Wessels nicht aus.