Der Quereinsteiger

Für Außenstehende mag das sprunghaft wirken: Neulich war Valérien Ismaël noch Amateurtrainer von Hannover 96, um dann in gleicher Rolle zum VfL Wolfsburg zu wechseln – und jetzt schon wieder zum nächsten Schritt auf der Karriereleiter anzusetzen: Der Franzose ist auf dem besten Weg, sich nach erfolgreicher Laufbahn als Spieler auch als Trainer durchzusetzen. Der 1. FC Nürnberg möchte seinen gerade erst besiegelten Abstieg aus der 1. Bundesliga mit Ismaëls Hilfe korrigieren.

Ismaël gilt dank seiner Vita und seines Auftretens als Musterschüler. Und trotz seines Mangels an Trainer-Erfahrung dürften ihn noch mehr höherklassige Vereine umgarnen. Gerade erst hat der 38-Jährige, seit April Fußballlehrer mit UEFA-Pro-Lizenz, das U-23-Team des VfL Wolfsburg zum Regionalliga-Titel geführt, den Aufstieg in die 3. Liga hauchdünn nur verpasst. Daraus lässt sich schließen, dass er mit einer überqualifizierten Mannschaft leichtes Spiel hatte oder dass er sich angesichts seiner Fähigkeiten mit Aufgaben im Amateurbereich nicht lange aufhalten sollte.

Mit ein wenig mehr Geduld während seiner Zeit bei Hannover 96 hätte er beste Chancen gehabt, Anfang des Jahres den erfolglosen Mirko Slomka als Erstligatrainer zu beerben. Aber der frühere Abwehrspezialist bei Bayern München und Werder Bremen zeigte wenig Interesse an Ränkespielen und Machtproben hinter den Kulissen eines Vereins, in dem er 2009 als Spieler wegen akuter Knieprobleme abdanken musste. Beim VfL Wolfsburg hat er eine Saison lang eine Fortbildung für Fortgeschrittene absolvieren dürfen. Und jetzt? Darf er nach Nürnberg? VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs, den Ismaël noch von Werder Bremen kennt, wird wissen, dass man gute Mitarbeiter auf lange Sicht nicht unterfordern, sondern lieber fördern sollte.

Egal, wie das Tauziehen zwischen Nürnburg, Wolfsburg und sonst noch wem ausgeht: Als Trainer wird Ismaël die ganz großen Stadien in Wallung bringen. Er wird sich auf seinem Weg nach oben nur noch fragen müssen, wie viel Zielstrebigkeit gut für das eigene Image ist. Wer zu wenig Loyalität mit seinen Arbeitgebern zeigt, kann auch Schaden nehmen.

Bei Hannover 96 hatte sich Ismaël im Grunde alles ansehen können – und herausfinden, ob er sich an der Rasenkante besser aufgehoben fühlt als hinter einem Schreibtisch. Als Dankeschön für diese Findungsphase kam durch eine Indiskretion heraus, dass er vorzeitig nach Wolfsburg weiterziehen wollte. Sollte sich derlei beim VfL wiederholen, wüssten Allofs und die Seinen: Dieser Ismaël überholt auch schon mal rechts – auf dem Weg nach oben.  CHRISTIAN OTTO