Weil Frauen so emotional sind

DOKU „Freedom Bus“: Ein Münchner will Ägypten demokratisieren (23.55 Uhr, ZDF)

Gerade hat in Ägypten ein Ex-Armeechef die zweiten demokratischen Wahlen mit quasi-sowjetischen 96 Prozent gewonnen. Im Abspann von Fatima Abdollahyans „Freedom Bus“ geht es noch um jene ersten Wahlen im Januar 2012 – die Muslimbruderschaft hat 47 Prozent und die Salafisten 24 Prozent der Stimmen erhalten. So hatte sich Ashraf El-Sharkawy das wohl nicht vorgestellt.

Nach dem Arabischen Frühling, vor der Wahl (2012): Der 39-jährige Ashraf El-Sharkawy hat seinen Job als Kommunikationschef bei der Allianz in München gerade geschmissen: „Denn ich habe mir gesagt, jetzt ist die Chance, etwas Sinnvolles zu tun.“ Der Sohn ägyptischer Eltern ist in Deutschland aufgewachsen, Ägypten kennt er nur aus den Ferien. Mit dem Idealismus eines Hippies und dem Selbstverständnis eines Marketingprofis bricht er also auf – um den Ägyptern die Grundlagen der Demokratie beizubringen.

Er und seine Gruppe haben bald einen Finanzierungsplan, bald einen Wahlkampfbus. Allein: Sie wollen gar keinen Wahlkampf machen. Sie wollen unabhängig bleiben, unparteilich. Was nicht nur dann zu Diskussionen führt, wenn es darum geht, ob man 50.000 Euro Unterstützung vom Auswärtigen Amt annehmen darf. Schwierig wird es mit der Neutralität vor allem dann, wenn El-Sharkawy erkennen muss, dass da ganz demokratisch über Positionen abgestimmt werden soll, die mit seinem Demokratieverständnis unvereinbar sind. So muss er sich etwa von zwei jungen Männern erklären lassen, warum die Zeugenaussage einer Frau vor Gericht nur halb so viel zählt wie die eines Mannes – „weil Frauen so emotional sind“. El-Sharkawys persönliches Paradox macht auch den Film über ihn zu einer spannenden Reflexion darüber, was das nun ist: Demokratie. Wo sie anfängt und wo sie aufhört. JENS MÜLLER