Ein Airbus-Projekt für die Solarindustrie

ENERGIE Der Chef des Fraunhofer ISE hat eine Vision: eine Gigawatt-Solarfabrik im Herzen Europas

Gemeinsam könnten Deutsche und Franzosen Anbietern aus Asien die Stirn bieten

FREIBURG taz | Neue Perspektiven für die europäische Photovoltaikwirtschaft? Wenn Eicke Weber in den letzten Monaten darüber vor Publikum sprach, fiel meistens irgendwann auch das Wort „Gigawatt-Fabrik“. Mitunter auch noch mit einem X davor: X-Gigawatt-Fabrik. Denn der Chef des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg (ISE) hat eine Vision: Ein internationales Konsortium soll eine Solarfabrik in Europa aufbauen – groß genug, um mit niedrigen Preisen gegen asiatische Hersteller zu konkurrieren. Groß genug auch, um technisches und wissenschaftliches Know-how in Europa zu halten.

Denn neben dem internationalen Preisdruck auf die Photovoltaik ist auch der Abfluss geistigen Eigentums ein Problem für die deutsche Solarwirtschaft: Asiatische Firmen haben in den letzten zwei Jahren zahlreiche kriselnde deutsche Photovoltaik-Firmen übernommen – aber weniger, um sie in Deutschland langfristig weiterzuführen, sondern eher, um auf diese Weise Zugriff auf Patente und Fertigungsverfahren zu erlangen.

Eine X-Gigawatt-Fabrik könnte die Entwicklung stoppen. Denn durch ihre Größe könnte sie eine in Europa nicht gekannte Marktposition erlangen, schließlich erreicht bislang kein Werk die Marke von einem Gigawatt, also 1.000 Megawatt. Die Solarzellenfertigung der Solarworld AG im sächsischen Freiberg verfügt über eine Kapazität von 330 Megawatt, die ehemalige Bosch-Fabrik im thüringischen Arnstadt – inzwischen auch von Solarworld übernommen – kommt auf 700 Megawatt.

Wenn Weber über das Projekt spricht, fällt oft der Name „Airbus“. So wie der als deutsch-französisches Unternehmen gegründete Konzern zu einem veritablen Konkurrenten des Flugzeugbauers Boeing wurde, könnte in einigen Jahren eine große Solarfabrik in Mitteleuropa Anbietern aus Asien die Stirn bieten.

Mitunter fällt dann in diesem Zusammenhang auch noch der Ortsname Fessenheim. In der Tat wäre es ein Akt von höchster Symbolkraft, wenn am heutigen Atomstandort in Frankreich ein hochambitioniertes Solarunternehmen entstünde. Und mit dem Fraunhofer ISE hätte man das führende Forschungsinstitut des Kontinents gleich vor der Haustür. Faktisch dürfte der Atomstandort gleichwohl Fiktion bleiben – schlicht, weil niemand darauf warten will, bis der Platz in Fessenheim frei wird.

Gleichwohl: Ein grenznaher Standort am Oberrhein auf französischer Seite soll es wohl sein. So wird derzeit viel spekuliert. Sicher ist lediglich: Es gibt ein Konsortium, das an dem Projekt arbeitet. Dazu gehören neben dem ISE das französische Institut National de l’Energie Solaire (INES) und aus der Schweiz das Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM). Auch mehrere europäische Industrieunternehmen sind mit im Boot.

Hinter den Kulissen wird seit Monaten intensiv verhandelt. Bereits in wenigen Wochen, so ist aus dem ISE zu erfahren, werde es Neuigkeiten in dieser Sache geben. Dann könnte konkret werden, wofür Weber seit Monaten auf höchster politischer Ebene kämpft. Ein Geheimnis machte er aus seiner Vision nie, wie im Februar auch die Besucher einer Veranstaltung im Freiburger ISE erleben konnten. Eigentlich war Weber an diesem Tag als Referent angekündigt, um über „die Wettbewerbsfähigkeit der Solarenergie in einer Low Carbon Economy reden. Doch dann musste er sich per Videokonferenz aus Niedersachsen zuschalten lassen. Er hatte kurzfristig die Möglichkeit bekommen, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu treffen. Man sprach über die Gigawatt-Fabrik – natürlich. BERNWARD JANZING