„Nicht bevormunden“

DISKUSSION Flüchtlingsinitiativen tauschen sich aus, wie sie Rassismus in ihrer Arbeit vermeiden

■ 29, ist ehrenamtlicher Berater in der Flüchtlingsinitiative Bremen.

taz: Herr Scholten, wo verläuft die Grenze zwischen Unterstützung von Flüchtlingen und deren Bevormundung?

Daniel Scholten: Dort, wo ich beginne, für andere Entscheidungen zu treffen.

Welche können das sein?

Da geht es häufig um Anträge, etwa den auf Asyl. Da stellt sich oft die Frage, ob es sinnvoll ist, jahrelang auf eine Entscheidung zu warten, unter schlechten Bedingungen.

Aber Sie können das doch viel besser beurteilen als jemand, der sich mit unserem Rechtssystem nicht auskennt.

Ja, das stimmt, ich kann auch nicht in zehn Minuten die ganzen Grundlagen erklären.

Was tun Sie dann?

Ich versuche, das so transparent wie möglich zu machen und die Entscheidung den Klienten und Klientinnen zu überlassen.

Auch, wenn Sie die für falsch halten?

Ich sage ganz klar meine Einschätzung, aber wenn jemand das trotzdem möchte, obwohl ich davon abrate, dann respektiere ich das. Ich habe schon Anträge formuliert, bei denen ich davon ausging, das nutzt nichts. Es geht darum, keine Perspektive einzunehmen, in der die Klienten und Klientinnen als „die armen Flüchtlinge“ erscheinen, die nichts können und wir ihnen zeigen, wo es lang geht.

Wie schaffen Sie es, die Grenze zum Paternalistischen nicht zu überschreiten?

Wir beraten in Teams, um uns reflektieren zu können, und machen regelmäßig Supervision.

Als Freiwilligenorganisation?!

Ja, das ist für die Klienten und Klientinnen im Sinne einer empowernden Beratung wichtig und auch für uns als Beratende.

Was verstehen Sie unter Selbstermächtigung?

Manchmal ist schon etwas erreicht, wenn sich jemand nach einer Beratung nicht mehr so hilflos fühlt und seine Rechte kennt, die er in den Behörden einfordern kann.  Interview: eib

18 Uhr, Mediencoop im Lagerhaus, Schildstraße 12