„Erfolg heißt nicht, sich immer durchzusetzen“

Nach vier Jahren aus dem Amt hat die Hamburger Ärztekammer Frank Ulrich Montgomery wieder zum Präsidenten gewählt. Inzwischen hat er als Bundesvorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund die Schlagzeilen bestimmt

taz: Herr Montgomery, warum zieht es Sie nach Hamburg zurück?

Frank Ulrich Montgomery: Es zieht mich nicht zurück. Der Präsident der Hamburger Ärztekammer ist auch im Vorstand der Bundesärztekammer. Die Wahl verstärkt mein bundespolitisches Engagement.

Und was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen?

Das alles Überlagernde ist der Versuch, die schädliche Gesundheitsreform zu verhindern. Die bedeutet eine eklatante Verschlechterung der Patientenversorgung und Arbeitsbedingungen für Ärzte.

Das ist ein bundesweites Problem.

Richtig, aber für Hamburg in besonderem Maße. Durch die Mittelverteilungen innerhalb des Gesundheitsfonds bekommt eine Metropolregion relativ gesehen weniger Geld als andere. Es wird eine Pauschalsumme pro Kopf ausgelotet. Die ist in Schleswig-Holstein dann genauso hoch wie in Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg. Da hier aber die Facharztdichte höher ist und mehr Metropolversorgung für das Umland besteht, werden geringere Budgets generiert. Gerade für High-tech-, High-class- und High-quality-Regionen ist diese Gesundheitsreform besonders schädlich. Ich verstehe nicht, warum Bürgermeister Ole von Beust sich völlig raushält und nicht über den Bundesrat und seinen politischen Einfluss auf Bundesebene gegen diese Reformen angeht.

Ist ein Ärztepräsident auch ein Politiker?

Ich möchte gerne, dass die Ärztekammer wieder politischer und weniger administrativ wird. Als oberste politische Repräsentanten der Ärzteschaft müssen wir eine politische Rolle spielen, nicht nur eine verwaltende.

Hat die Kammer Einfluss auf die Politik? In Ihrer letzten Amtszeit hatten Sie sich gegen die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln an mutmaßliche Drogendealer eingesetzt. Die wird noch heute praktiziert.

Aber nur in minimalem Ausmaß. Der Senat kann sich aus Gründen der Gesichtswahrung nicht von seinem Grundsatz abwenden. Aber es gibt inzwischen auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das die Praxis klar verurteilt.

Der Appell der Ärztekammer hat weniger Wirkung gezeigt.

Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Unser Appell hat damals dazu geführt, dass es einen großflächigen Einsatz dieser Maßnahme nicht gibt. Erfolg heißt nicht, dass man sich immer zu 100 Prozent durchsetzt.

Sie haben sich im Tarifstreit der Klinikärzte profiliert. Was haben niedergelassene Mediziner von Ihnen zu erwarten?

Wenn die Klinikärzte bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen haben, können auch die niedergelassenen davon profitieren. Auch die arbeiten zumeist im Krankenhaus, ehe sie eine eigene Praxis eröffnen.

Vor vier Jahren gewann der freiberufliche Arzt Michael Reusch die Kammerwahl gegen Sie, weil sich die niedergelassenen Mediziner von ihnen nicht ausreichend vertreten fühlten.

Vor vier Jahren war der Eindruck sicher so. Aber ein zweiter Grund war, dass ich damals eine Empfehlung für die Wiederwahl von Gerhard Schröder gegeben hatte. Dafür hat man mich abgewählt.

Sie mussten sich häufig vorhalten lassen, mehr Gehalt für Klinikärzte auf Kosten des Pflegepersonals durchzusetzen.

Der Vorwurf geht ins Leere. Um für Krankenschwestern bessere Bedingungen durchzusetzen, haben wir kein Mandat.

Die Tarifunion mit der Gewerkschaft ver.di hat der Marburger Bund aufgekündigt.

Während das Gehalt des Pflegepersonals über Jahre kontinuierlich gestiegen ist, wurde das der Ärzte immer weniger. Inzwischen war die Solidarität nicht mehr aufrechtzuerhalten. INTERVIEW: ELKE SPANNER