KOMPLIZIERT UND FOLGENLOS: EMISSIONSHANDEL FÜR FLUGLINIEN
: Umweltschutz gern, aber bitte billig

Die Erde schwitzt, der Mensch kriegt Angst. Die Hitzerekorde der letzten Jahre treiben die Zecke nach Norden, die die Hirnhautentzündung auslöst. In den Badeseen vermehrt sich der Saugwurm, dessen Larve sich in die Haut der Schwimmer bohrt. Der Klimawandel wird so spürbar unangenehm, dass jetzt die meisten Deutschen den Umweltschutz wieder „wichtig“ finden. Er kommt gleich auf Platz zwei, direkt hinter dem Thema Arbeitslosigkeit. Sehr gut – wäre das Comeback der Ökologie nicht so folgenlos.

Umweltschutz verkommt heute zum Wellness-Programm. Gelegentlich leisten wir uns Gemüse aus dem Bioladen, denn es ist schick, auf Ernährung und den eigenen Body zu achten. Oder wir radeln mal an der Elbe entlang. Sanfter Tourismus ist schließlich en vogue. Aber mit den Umweltdebatten der Achtzigerjahre hat dieses neue Bewusstsein nichts zu tun. Damals demonstrierten die Bürger gegen Atomkraft, sie engagierten sich gegen Waldsterben oder verwahrloste Müllkippen. Die Industrie reagierte und baute Filter ein. Es war eine Frage der politischen Haltung.

Diesmal geht es um die Maximierung des eigenen Wohlbefindens. Und da tauchen schnell Widersprüche auf. Jeder ist für sauberes Wasser und reine Luft, aber wenn wir Lust haben, fliegen wir trotzdem schnell nach Hamburg oder München. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Kurzstreckenflüge in Deutschland um 90 Prozent gestiegen. Psychologen diagnostizieren eine kognitive Dissonanz, also eine Kluft zwischen Bewusstsein und Verhalten.

Vor dieser Irrationalität der Wähler fürchtet sich die Politik – und verfolgt ähnlich irrationale Projekte. So hat SPD-Verkehrsminister Tiefensee angekündigt, dass er die Fluglinien in den Emissionshandel aufnehmen will. Das klingt wie echter Klimaschutz, doch tatsächlich ist das System ineffizient. Das ist gewollt: Die Tickets bleiben so billig, dass die Kurztrips nach Mallorca nicht behindert werden. Viel wirksamer wäre es, endlich die Subventionen für Fluglinien zu streichen und eine Kerosinsteuer einzuführen. Nur: Die Empörung des Wahlvolkes wäre gewiss. Wir wollen Umweltschutz nur, wie es uns gefällt. HANNA GERSMANN