„Nicht generell Löhne erhöhen“

Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft plädiert für Gewinnbeteiligungen

taz: Herr Lesch, die Konjunktur zieht an, Unternehmen erwirtschaften Rekordgewinne. Wäre es nicht an der Zeit, dass die Löhne kräftig erhöht werden?

Hagen Lesch: In guten wie in schlechten Zeiten gilt: Die Lohnerhöhungen müssen sich am Verteilbaren orientieren, also am Produktivitätswachstum. Das liegt um die 1,5 Prozent.

Sie predigen Verzicht in schlechten Zeiten – und Verzicht in guten?

Da haben sie mich missverstanden. Jeder Ökonom wird Ihnen raten, die Leute jetzt am Aufschwung zu beteiligen. Es geht nur um das Wie. Und da sollte man nicht generell die Löhne erhöhen, sondern Einmalzahlungen und Gewinnbeteiligungen aushandeln. Dabei sollte von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen unterschieden werden, je nach Erfolg.

Selbst die Regierung verlangt jetzt eine angemessene Lohnerhöhung.

Die Regierung sollte die Lohnnebenkosten senken – und nicht den Tarifparteien eine bestimmte Lohnpolitik empfehlen.

Sie verlangen eine „moderate Lohnpolitik“ bei den Tarifverhandlungen 2007 – sind die 5 bis 7 Prozent, die die IG Metall anstrebt, nicht moderat angesichts der guten Entwicklung in der Branche?

Wir haben momentan eine gute konjunkturelle Situation. Irgendwann wird es aber auch wieder Jahre geben, in denen es den Unternehmen schlechter geht als heute. Dann sitzen sie auf den hohen Arbeitskosten, die ein Resultat der vorangegangenen Lohnerhöhungen sind.

In den vergangenen 15 Jahren sind die Nettoeinkommen der Haushalte gesunken.

Diese Entwicklung hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem hat das mit der schlechten Lage auf dem Arbeitsmarkt zu tun. Die führt dazu, dass der Staat durch hohe Sozialversicherungsbeiträge den Arbeitnehmern das Geld aus der Tasche zieht.

Im Januar wird die Mehrwertsteuer erhöht. Gewerkschaften fordern, schon allein deshalb die Löhne zu erhöhen, um die private Nachfrage zu stützen – und die Konjunktur nicht abzuwürgen.

Wenn die Gewerkschaften jetzt versuchen, sich die Mehrwertsteuer von den Unternehmen zurückzuholen, dann kommt das in Gang, was wir schon kennen: Die Unternehmen müssen ihre hohen Kosten wieder in den Griff bekommen, am Ende Leute entlassen.

Über 80 Prozent der Menschen haben derzeit das Gefühl, nicht vom Wirtschaftswachstum zu profitieren.

Wenn Sie jetzt kräftig die Löhne erhöhen, und dann kommt wieder der Abschwung, dann ist das Gejammere groß. Dann verschlechtern wir die Wettbewerbsposition, die wir durch jahrelange Lohnzurückhaltung verbessert haben. Wir haben unser Kostenproblem jetzt ein Stück weit in den Griff bekommen. Das können wir doch nicht über Bord werfen. Wir müssen die Lohnpolitik weiter in den Dienst der Beschäftigung stellen.

INTERVIEW: WOLF SCHMIDT