Rechte Schüler-CD gegen Anne Frank

Nach der Verbrennung ihres Tagebuchs in Sachsen Anhalt machen jetzt Rechte in Vorpommern gegen die Geschichte des jüdischen Mädchens Stimmung. Zur heute beginnenden Anne-Frank-Ausstellung verteilen sie antisemitische Schüler-CDs

Die Ausstellungs- macher fürchten um die Sicherheit ihrer Helfer

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Die Mitarbeiter des Berliner Anne-Frank-Zentrums haben in den vergangenen Jahren viele Erfahrungen mit Antisemitismus in Deutschland sammeln müssen. Was sie aber dieser Tage im vorpommerschen Grimmen bei der Vorbereitung einer Ausstellung über das von den Nazis ermordete jüdische Mädchen erleben, das habe er „in dieser Organisiertheit und Massivität bisher nicht gekannt“, versichert der Leiter des Zentrums, Thomas Heppener. „Das hat eine neue Dimension, die uns sehr erschreckt.“

Mehrere Rechtsextreme hatten am Montag ein Seminar besucht, in dem Jugendliche aus Grimmen darauf vorbereitet wurden, selbst Besucher durch die Ausstellung zu führen. Nach Angaben von Heppener händigten die Rechtsextremen den Teenagern bei dieser Gelegenheit eine Propaganda-CD aus, die inzwischen in unbekannter Zahl offenbar auch vor Schulen in der 11.000-Einwohner-Stadt südlich von Stralsund verteilt wurde.

Auf der speziell für die heute beginnende Ausstellung in Grimmen aufgenommenen CD machen sich junge Sprecher in sechs „Lektionen“ über die Geschichte des Mädchens lustig und prangern das Tagebuch als Fälschung an. Zwischen die hämischen Texte sind einschlägige Rechtsrocktitel gemixt. Einer davon lautet: „Ich bin mit Leib und Seele Nazi“.

Zwei Rechtsextreme, darunter ein NPD-Landtagskandidat, hatten laut Heppener zudem versucht, an dem Trainingsseminar für Jugendliche teilzunehmen. Ein – unerlaubter – Mitschnitt ihres Anrufs bei einer Mitarbeiterin des Projekts wird auf der CD ebenfalls wiedergegeben.

Nach Angaben des Schweriner Innenministeriums prüft die Staatsanwaltschaft Stralsund die Platte auf strafbare Inhalte, ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Das Anne-Frank-Zentrum wird vermutlich Anzeige wegen Volksverhetzung erstatten. Auch die Betreuerin des Ausstellungsprojekts in Grimmen will gegen die unerlaubte Wiedergabe des Telefonats klagen.

Hinter der antisemitischen Kampagne soll eine Stralsunder Neonazi-Gruppe stecken, die sich „Freundeskreis Avanti“ nennt und wiederholt rechtsextreme Schülerzeitungen verbreitete. Einer der Aktivisten wurde laut Heppener bereits wegen Attacken auf Anne Frank zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Ausstellungseröffnung heute Nachmittag wird unter Polizeischutz stattfinden. „Ich habe wirklich Angst um die jungen Leute, die sich für die Ausstellung in Grimmen engagieren“, sagt der Leiter des Anne-Frank-Zentrums. Es sei außerdem zu befürchten, dass ähnliche CDs künftig auch an anderen Ausstellungsorten verbreitet würden.

Grimmens Vize-Bürgermeister Ingo Belka bedauerte gestern, dass die Gemeinde durch die Kampagne einiger Extremisten in ein schlechtes Licht gerate: „Diese Leute sprechen nicht für Grimmen.“ Die Stadt werde mit Hilfe des Hausrechts verhindern, dass Rechtsextreme die Ausstellung störten. Weiteren Handlungsbedarf sehe er nicht: „Es ist alles getan, was getan werden musste.“