Kein Zeichen von Volksnähe

Bürgerbefragung durch den Senat

VON STEFAN ALBERTI

Es klingt ja erst mal toll: Der Senat soll also bei großen Themen vorab die Bürger befragen, was die denn so von seinen Plänen halten. Doch was nun viele schon als Gewinn für die direkte Demokratie feiern, wäre im Grunde nur die Gelegenheit für eine Regierung, sich einen schlanken Fuß zu machen und für nichts einstehen zu müssen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit beklagt schon seit Jahren, dass sich Volksentscheide naturgemäß nur gegen Senatspolitik richten und dass er strittige Themen nicht vorab den Berlinern zur Entscheidung vorlegen könne.

Doch wofür gibt es Wahlprogramme, Wahlversprechen und politische Inhalte, für die er und andere Regierungschefs gewählt werden? Was sagt es über die Standhaftigkeit eines Politikers aus, der erst ganz sicher sein will, ob sein Vorhaben opportun ist, bevor er es beginnt?

Breite Verankerung fehlt

Auf vorgelagerte offizielle Befragungen zu setzen, ist auch ein Offenbarungseid vermeintlicher Volksparteien. Wer als Partei breit verankert ist, in Vereinen, Communitys, Verbänden, Initiativen, der weiß um die Haltung der Bevölkerung zu einem Thema. Und wer das weiß, der kann sich auch ohne Befragung überlegen, ob er es sich bequem macht und den Konflikt scheut. Oder ob er von der Sinnhaftigkeit seiner Politik überzeugt ist, sie umsetzen, für sie streiten und sie dann nötigenfalls auch in einem gegen sie gerichteten Volksentscheid verteidigen will.

Um mangels breiter Verankerung vorab zu erkunden, woher der Wind weht, und notfalls den Schwanz einzuziehen, braucht es keine neue Volksbefragung samt Verfassungsänderung: Dafür reicht ein Auftrag an ein Meinungsforschungsinstitut.