Landes-FDP feiert Wahlsiege

Im Koalitionsstreit um die neue NRW-Gemeindeordnung haben sich die Liberalen durchgesetzt. CDU-Politiker sind enttäuscht: „Für die FDP ist das ein schöner Erfolg, für uns eine Katastrophe“

VON ANNIKA JOERES
UND MARTIN TEIGELER

NRW muss neu wählen lernen. Bei Landtags- und Kommunalwahlen wird künftig vieles anders an Rhein und Ruhr. Nach monatelangem Koalitionsstreit haben sich CDU und FDP auf eine Novelle der Gemeindeordnung und ein neues Zweitstimmenwahlrecht zur Landtagswahl 2010 geeinigt. Was die Fraktionschefs Helmut Stahl (CDU) und Gerhard Papke (FDP) als „fairen und veritablen Kompromiss“ verkauften (taz berichtete), dürfte bis zur geplanten Verabschiedung im kommenden Jahr vor allem bei der CDU für Ärger sorgen.

„Ich bin enttäuscht“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe. Der Münsteraner Landesparteitag habe vor drei Monaten klar gegen eine Entkopplung der Bürgermeister- von den Gemeinderatswahlen entschieden. Der CDU/FDP-Kompromiss, den Bürgermeister alle sechs und die Stadträte weiterhin alle fünf Jahre wählen zu lassen, sei falsch. „Das wird uns die kommunalpolitische Arbeit vor Ort schwerer machen“, so der CDU-Chef im Rhein-Kreis Neuss. Die Häufung der Wahltermine drohe die Wahlbeteiligung absinken zu lassen – zudem würden die CDU-Kreisverbände durch die Zunahme der Wahlkämpfe finanziell überlastet.

„Das ist für die FDP ein schöner Erfolg, für uns ist das eine Katastrophe“, sagt der Gütersloher CDU-Kreischef Ludger Kaup. Er sei verwundert über den Kompromiss. „Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagt der Neusser CDU-Stadtverbandschef Jörg Geerlings. Bei der Detailarbeit am Gesetz müssten noch Änderungen kommen. Mitte 2007 soll die Novelle nach den Plänen der Koalition in Kraft treten.

Durchgesetzt hat sich in der Koalition fast in allen Punkten die FDP. „Wir haben uns auf den Koalitionsvertrag besonnen. Punkt“, sagt Generalsekretär Christian Lindner. Offensichtlich wurde die Einigung auch nicht erst in dieser Woche getroffen: „Wir haben über Monate miteinander gerungen“, so der FDP-Parteimanager. Die einstündige Besprechung im Koalitionsausschuss am Dienstag sei dann eine „einfache Angelegenheit“ gewesen.

Besonders stark hat die CDU offenbar nicht auf die Einhaltung ihres Parteitagsvotums gepocht. CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst widerspricht. Man habe „ambitioniert über Wochen“ verhandelt. So habe man erreicht, dass Räte und Bürgermeister 2009 noch einmal zusammen gewählt werden. „Auch die Idee einer achtjährigen Amtszeit ist vom Tisch“, so Wüst gestern zur taz.

Positiv für die Christdemokraten dürfte sich der Wegfall der Stichwahlen auswirken. Als strukturelle Mehrheitspartei in den Gemeinden lag die CDU bei den letzten Kommunalwahlen im ersten Wahlgang meist vor der SPD – teilweise verlor sie aber im zweiten Wahlgang. Zwei Beispiele: 1999 verlor der jetzige CDU-Fraktionschef Helmut Stahl die Zweitauflage der Bonner OB-Wahl gegen die SPD-Frau Bärbel Dieckmann – obwohl er im ersten Durchgang mit 47,4 Prozent vorn gelegen hatte. 2004 führte der damalige CDU-Rathauschef Oliver Wittke in Gelsenkirchen – doch der jetzige NRW-Bauminister scheiterte in der Stichwahl gegen die SPD. Grüne Rathauschefs dürften mit der Neuregelung noch seltener werden: Die einzigen grünen Bürgermeister im Land – Hans-Jürgen Schimke (Laer) und Lothar Mittag (Rhede) – hatten sich 1999 als Zweitplatzierte des ersten Wahlgangs jeweils in der Stichwahl gegen CDU-Favoriten durchgesetzt.

Das neue Landtagswahlrecht nützt dagegen wohl eher den Kleinparteien FDP und Grünen. Wie bei Bundestagswahlen wird auch beim Urnengang für das NRW-Parlament ab 2010 das Zweitstimmenwahlrecht eingeführt. Wahlberechtigte können ihre Stimmen splitten: die Erststimme für einen Wahlkreisbewerber, die Zweitstimme für die Landesliste einer Partei. Bislang durften sie nur ein Kreuz machen. „Die Änderung des Wahlrechts ist grundsätzlich zu begrüßen, weil die Wähler ihre Präferenzen mit zwei Stimmen differenzierter zum Ausdruck bringen können“, sagt der Politologe Thorsten Faas von der Uni Duisburg-Essen. Gleichzeitig sei das neue Wahlrecht aber auch „schwieriger und anspruchsvoller“. Nur rund die Hälfte der Wahlberechtigten kenne die genaue Bedeutung von Erst- und Zweitstimmen.