„Chance auf Erfolg“

VON BERND PICKERT
UND ADRIENNE WOLTERSDORF

79 Empfehlungen hat die überparteiliche Baker-Hamilton-Kommission formuliert, um „zumindest eine Chance auf Erfolg“ im Irak zu haben, wie der republikanische Exaußenminister James Baker gestern bei der Vorstellung des Berichts ausführte. Die lang erwartete Expertise empfiehlt der Bush-Administration im Nahen Osten in erster Linie diplomatische Offensiven. Diese sollen mittelfristig – angepeilt ist 2008 – die Voraussetzung für einen Abzug der US-Truppen aus dem Irak schaffen.

Im Irak selbst sollen die US-Truppen ihre Rolle verändern: Während die Zahl der kämpfenden Einheiten mittelfristig zu vermindern sei, müssten sich mehr US-Truppen dem Training der irakischen Streitkräfte widmen und in gemeinsamen Einheiten unterwegs sein. Statt jetzt 4.000 sollten 20.000 US-Soldaten mit der Ausbildung beschäftigt sein. Der Bericht formuliert: „Im ersten Quartal 2008 könnten – abhängig von unerwarteten Entwicklungen der Sicherheitslage vor Ort – alle kämpfenden Einheiten aus dem Irak abgezogen sein, die nicht unmittelbar für den Schutz der irakischen Armee notwendig sind.“ Die verbleibenden US-Kampfeinheiten sollten nur noch gemeinsam mit den irakischen Streitkräften in schnellen Reaktionsteams „special operations“ durchführen. Damit sind gezielte Aktionen gegen die al-Qaida gemeint.

Die zehn Mitglieder der Kommission, ehemalige Regierungs- und Kongressmitglieder aus beiden Parteien, warnen davor, dass der Irak ins Chaos abzugleiten drohe, wenn die USA nicht eine neue Herangehensweise wählten. Bush sagte dem Kommissionsvorsitzenden James Baker zu, die Vorschläge ernsthaft prüfen zu wollen.

Der Grundton des Berichts ist pessimistisch. Schon der erste Satz der Einleitung spricht die unangenehme Wahrheit aus, die Situation im Irak sei „schwerwiegend“ und verschlechtere sich. Die Gewalt nehme zu und fordere immer mehr Opfer. Gewalt zwischen den Volksgruppen sei die größte Bedrohung der Stabilität. Weiter heißt es, ein „Abrutschen ins Chaos kann den Kollaps der irakischen Regierung und eine humanitäre Katastrophe verursachen“, „Nachbarländer könnten eingreifen“ und „al-Qaida könnte einen Propagandasieg erringen“. Bei der Vorstellung des Berichts führte der demokratische Co-Chef der Kommission aus, dass die US-Kosten des Irakkriegs 1 Billion Dollar zu übersteigen drohten. Die USA könnten an die Grenzen ihrer Leistungskraft stoßen, warnte Lee Hamilton. Allerdings bemühte er sich um Optimismus: „Aus unserer Sicht sind aber noch nicht alle Möglichkeiten erschöpft.“

So empfiehlt die Kommission „neue und verbesserte diplomatische und politische Bemühungen im Irak und der Region“. Vor allem Iran und Syrien sollten direkt an der Lösungssuche beteiligt werden – ein Ansatz, den Bush bislang abgelehnt hatte. Baker kontert mit seiner Erfahrung als ehemaliger Außenminister: Im Nahen und Mittleren Osten könne man sich nicht aussuchen, mit welchem Land man sprechen wolle und mit welchem nicht. Allerdings vermeidet es der Bericht zu erwähnen, was man dem Iran im Atomstreit anbieten sollte, um dessen Hilfe zu erreichen. Baker verwies lediglich darauf, dass die Iraner doch auch bei Afghanistan mitgeholfen hätten, ohne dass über den Atomstreit gesprochen worden sei.

Noch ein Tipp: Bush soll die irakische Regierung mit der Androhung unter Druck setzen, ökonomische und militärische Hilfen zu reduzieren, sollte sich Bagdad weigern, die Sicherheitslage zu verbessern.

Von einem Journalisten des konservativen Fernsehsenders gefragt, warum der Begriff „Sieg“ gar nicht mehr auftauche und ob es wohl nur noch um Katastrophenvermeidung gehe, antwortete Baker erneut, es ginge um eine „Chance auf Erfolg“.