„Das künstlerische Dilemma“

TAGUNG Künstler mischen sich mit Urban Gardening, Event-Demos oder Theater in die Stadtplanung ein

■ 46, ist Künstlerin aus dem Künstlerhaus Frise und seit 2010 eine der Kuratorinnen von der Reihe „Floating Volumes“.

taz: Frau Akalın, warum ist es wichtig, sich mit Fragen von Stadt und Identität künstlerisch auseinanderzusetzen?

Emine Şahinaz Akalın: Man hat festgestellt, dass viele Gesichtspunkte erst zum Tragen kommen, wenn sich Künstler in ökonomische und städteplanerische Prozesse einmischen und mit denen arbeiten.

Man hat den Eindruck, Künstler stürzen sich auf das Thema Stadt. Warum?

Das ist ganz banal. Wir stehen alle unter einem sehr großen Druck. Weil es unsere Lebenswirklichkeit ist, dass Räume knapp sind, müssen wir uns damit immer wieder befassen. Dazu kommt die neoliberale Arbeitsökonomie, in der es immer mehr Freiberufler gibt und immer weniger Verbindlichkeiten. Ich persönlich wurde zum Beispiel schon fünf Mal aus meinen Ateliers rausgeworfen, weil immer irgendwas Neues gebaut wurde.

Der berühmte Gentrifizierungskelch geht nicht vorüber.

Letztendlich habe ich auch dazu beigetragen, dass die Schanze und die Große Bergstraße das geworden sind, was sie sind.

Förderpolitisch gesprochen: Wo Geld fließt, sind Interessen am Werk.

Das ist das künstlerisches Dilemma. Natürlich stecken da wirtschaftliche Interessen hinter.

Was kann die künstlerische Beschäftigung denn Erhellendes zur Debatte beitragen?

Die ganze Widerstandskultur hat sich sehr stark geändert. Man ist weg von der klassischen Demonstration hin zum Theatermachen und zu performativen Handlungen. Zu Event-Demonstrationen möchte ich fast sagen. Das hat seinen Zenit in der Gezi-Park-Bewegung in Istanbul gehabt. Die hat wirklich Maßstäbe gesetzt. Man greift ein in städtische und ökonomische Prozesse, nicht nur um diese Wirklichkeit zu bestätigen, sondern auch um neue zu schaffen und zu praktizieren.

Wann ist dieses Eingreifen mehr als Kosmetik?

Urban Gardening zum Beispiel ist eine soziale Haltung, die praktiziert wird und auch längerfristig an festen Orten eingefordert wird. Wir haben aber auch die „geheimagentur“ eingeladen. Die widmet den öffentlichen Raum um, indem sie da was anderes stattfinden lässt und sich nicht darum schert, wozu der Raum eigentlich gemacht ist. Wieder andere beschäftigen sich mit der historischen Aufladung von Orten.  INTERVIEW: LKA

Tagung „Floating Volumes“: heute ab 10 Uhr, Hochschule für bildende Künste, Lerchenfeld 2; Ausstellung: bis 18. Juni, Frise, Arnoldstraße 26; www.floatingvolumes.frise.de