Was ist Soldat Bowe Bergdahl wert?

USA Nach dem Austausch eines US-Soldaten gegen fünf Taliban diskutieren die USA über den Deal. Republikaner und Angehörige getöteter Soldaten protestieren, Präsident Obama rechtfertigt sich

NEW YORK taz | Ist Bowe Bergdahl ein Held oder ein Überläufer? Die Frage steht im Vordergrund der US-Kontroverse über den Austausch des 28-jährigen US-Soldaten gegen fünf Taliban, die jahrelang in Guantánamo gefangen waren. Republikaner und Angehörige von gefallenen US-Soldaten kritisieren den Deal vom vergangenen Wochenende. Präsident Barack Obama rechtfertigt ihn. Das Pentagon hat eine Untersuchung über die Umstände von Bergdahls Entfernung von der Truppe eingeleitet. Und die Taliban haben einen Propagandafilm auf ihre Webseite gestellt, der neben der Übergabe von Bergdahl in einer grünen Berglandschaft den triumphalen Empfang der fünf ehemaligen Guantánamo-Insassen in Doha zeigt. Katar soll stellvertretend für Washington mit den Taliban verhandelt haben.

In Idaho, wo es noch am Wochenende aussah, als stünde eine triumphale Heimkehr des Soldaten Bergdahl bevor, sind die US-Wimpel wieder verpackt worden. Es gibt keinen Termin für Bergdahls „homecoming“. Der Soldat befindet sich abgeschirmt von der US-Armee in „medizinischer Behandlung“ in Landstuhl in Deutschland. Selbst seine Eltern haben nach Auskunft des Vaters am Dienstag bislang keinen Kontakt zu ihm. Aus dem Pentagon verlautet, dass Bergdahl so lange behandelt wird, wie es nötig sei. Welche medizinischen Probleme er hat, gab das Pentagon nicht bekannt.

Unterdessen hinterfragen Angehörige von US-Soldaten, die bei einem früheren Versuch, Bergdahl in Afghanistan zu befreien, ums Leben gekommen sind, die Loyalität des 28-Jährigen. „Ich glaube nicht, dass er den Tod meines Sohnes wert ist“, sagt die Mutter von Darryn Andrews in einem Interview mit der Army Times. Und US-Soldat Josh Korder, der zusammen mit Bergdahl in Afghanistan war, sagte im TV-Sender Fox, dass Bergdahl „einfach gegangen“ sei.

Bergdahl hatte seine Truppe in Afghanistan im Juni 2009 unter bislang ungeklärten Umständen verlassen. Er hinterließ einen Zettel, auf dem stand, dass er mit dem US-Krieg nicht einverstanden sei. Wenige Tage später soll er in die Hände der Taliban gefallen sein.

Nach Bergdahls Verschwinden übernahm dessen Vater Robert in Idaho die Staffel. Der 52-Jährige ließ sich einen Vollbart wachsen, lernte Paschtu wie sein Sohn, organisierte eine Kampagne für die Freilassung, verglich den Krieg in Afghanistan mit Vietnam und twitterte unter anderem für die Freilassung aller Insassen des Gefangenenlagers in Guantánamo.

Der Twitter-Eintrag von Bergdahl senior zu Guantánamo ist inzwischen gelöscht. Aber republikanische Politiker benutzen ihn als ein Argument in ihrer Kampagne gegen den Gefangenenaustausch. Unter anderem kritisieren sie, dass der Kongress nicht informiert worden ist.

Die Männer, die jetzt in Katar sind, standen nicht auf der Liste jener mehr als 70 Guantánamo-Insassen, die als unbedenklich gelten und freigelassen werden sollen. Die fünf in Katar sollen für den Tod Tausender Afghanen verantwortlich sein. DOROTHEA HAHN