Opposition will Festplatten schützen

SPD und Grüne prüfen Normenkontrollklagen gegen das neue Verfassungsschutzgesetz der Landesregierung. Es soll den Staatsbeamten erlauben, über das Internet auf private Dateien zuzugreifen, zum Beispiel auf E-Mails

DÜSSELDORF taz ■ Die künftigen Befugnisse des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes könnten von einem Gericht festgelegt werden. Grüne und SPD prüfen, ob sie das von Innenminister Ingo Wolf (FDP) ausgearbeitete neue Verfassungsschutzgesetz mit einer Normenkontrollklage vor dem NRW-Verfassungsgericht in Münster noch kippen können.

„Wir halten das Gesetz für verfassungswidrig und rechnen uns vor Gericht gute Chancen aus“, sagt die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Monika Düker. Die SPD will die Erfolgsaussichten einer solchen Klage nach Aussage ihres stellvertretenden Vorsitzenden Karsten Rudolph noch von externen Juristen einschätzen lassen. Die Verfassungsrichter in Münster müssen sich mit einer Normenkontrollklage befassen, wenn ihr mindestens 20 Prozent der Landtagsabgeordneten zustimmen.Der nordrhein-westfälische Landtag befasste sich gestern in zweiter Lesung mit dem 22 Seiten langen Gesetzestext, der den Verfassungsschützern ab dem kommenden Jahr deutlich mehr Kompetenzen zugesteht. Innenminister Wolf will dabei die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erteilten Sonderbefugnisse zur Bekämpfung des Terrorismus auf andere Extremistengruppen ausweiten. Besonders umstritten: Verfassungsschützer sollen künftig über das Internet auf private Computerdateien wie E-Mails zugreifen können. Auch die Regelungen des so genannten „großen Lauschangriffs“ zur Überwachung von Telefonen und Wohnungen sollen bestehen bleiben – obwohl sie das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage des FDP-Politikers Burkhard Hirsch in weiten Teilen für unzulässig erklärt hatte.

Vor Beginn der gestrigen Landtagssitzung (beendet nach Redaktionsschluss) galt eine Verabschiedung des Verfassungsschutzgesetzes als wahrscheinlich. „Innenminister Wolf hat aus dem Gesetz eine Prestigesache gemacht. Er ist als FDP-Mitglied in dieser Frage härter als die CDU“, kritisierte SPD-Parteivize Rudolph. Seine Fraktion hatte vor Sitzungsbeginn noch zwei Änderungsanträge zur Befristung des Gesetzes und zur Herausnahme des Lauschangriffs gestellt, die allerdings wenig Aussichten auf Annahme hatten. „Die Landesregierung hält die Augen zu und zieht durch“, so die Grüne Düker.

Verfassungsschutzchef Hartwig Möller hingegen hält die neuen Kompetenzen für notwendig. Der Staat müsse etwa rechtzeitig eingreifen können, wenn über das Internet schwere Straftaten geplant würden, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Die Nordrhein-Westfalen müssten sich nicht vor Dauerüberwachung fürchten: „Wir schauen den Bürgern nicht flächendeckend beim Surfen über die Schulter“, so Möller. Eine Sprecherin von Innenminister Wolf verwies darauf, dass die nordrhein-westfälischen Beamten von der durch den Lauschangriff ermöglichten Wohnraumüberwachung in der Vergangenheit ohnehin noch nie Gebrauch gemacht habe.

Auch einer möglichen Normenkontrollklage sieht das Ministerium gelassen entgegen. Die Juristen der Behörde beharren darauf, dass es keinen Eingriff in den „geschützten Kernbereich“ des Privatlebens darstellt, wenn Computerfestplatten beobachtet werden. Der Sozialdemokrat Rudolph sieht das anders: „Jeder Mensch kann nachvollziehen, was dieser Eingriff bedeutet“, sagte er. „Deshalb müsste gerade dieser Punkt für Verfassungsrichter interessant sein.“ KLAUS JANSEN