LESERINNENBRIEFE
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Demokratie versteigert

■ betr.: „Knatsch um Kommissionschef“, Ende der Kungelei“,taz vom 30. 5. 14

Warum die Europäische Union von weisen und klugen Politikern gegründet und warum diese Gemeinschaft von beinahe ebenso weisen und klugen Politikern im Sinne eines friedlichen, geeinten und wirtschaftlich erfolgreichen Europas über Jahrzehnte weiterentwickelt wurde, wissen wir. Auch vor der diesjährigen Europa-Wahl gab es eine hinreichend mediale Aufklärung über die herausragende Wertestellung der EU für die 400 Millionen Wahlberechtigten in den 28 Mitgliedsländern, insbesondere das strukturelle Demokratiedefizit sollte wegweisend abgebaut werden. Schon kurz nach der Wahl jedoch zeigt sich, die Stimmabgabe des europäischen Volkes war ein Votum ohne Gewicht, die vorgeblich anvisierte demokratische Legitimation wird durch gewillkürte Prioritätensetzung und nationale Animositäten zum intransparenten Postengeschacher, die Demokratie wird nicht gesteigert, sie wird versteigert.

Für die Wählerinnen und Wähler, für die Menschen, die sich dennoch und nach wie vor für Europa im Sinne seiner Gründerväter interessieren und starkmachen, müssen sich frustrierend und zwangsläufig elementare Fragen stellen: Welche Meta-Ziele hat die heutige EU, hat das heutige Europa? Begreifen die politisch Verantwortlichen Europa als Chance für eine bessere Zukunft oder nur als belastendes und kompliziertes Verwaltungsobjekt der Alten und Altvordern? Wie viel Indirektheit beziehungsweise Deckelung verträgt Demokratie, nicht zuletzt mit Blick auf das Anwachsen rechts- und linkspopulistischer Kräfte und Parteien, ohnehin genährt durch die Staatsschuldenkrise und die hohe Jugendarbeitslosigkeit? Warum stehen Kandidaten zur Wahl, die de facto in den entscheidenden Gremien nicht vermittelbar sind, welcher ambitionierte Politiker interessiert sich ohne die reale Aussicht auf substanzielle Gestaltungsmöglichkeiten ernsthaft für ein europäisches Mandat?

Kurzum, besteht die Gefahr einer Kernschmelze für die europäische Idee, den europäischen Geist? Nicht, wenn das politische System der EU endlich und tatsächlich demokratisiert wird und seine Aufgaben somit pro bono publico wahrnimmt. Auf weitere Wahl-Placebos (ohne demokratischen Effekt) jedenfalls sollte unbedingt verzichtet werden, die Destabilisierung des Hauses Europa wäre ganz und gar mehr als eine Nebenwirkung.

MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram

Schönen Weg dann

■ betr.: „Sollen die Briten eben austreten“, taz vom 4. 6. 14

England/Großbritannien und zum Teil auch Irland drohen quasi regelmäßig, die EU-Mitgliedschaft hinzuwerfen, wenn etwas nicht passt. Wieso nicht? Sollen sie doch endlich der EU und damit politisch Europa den Rücken kehren. Meinetwegen, doch nachdem sie mit Zins und Zinseszins die Milliarden EU-Subventionen in Wirtschaft und Infrastruktur zurückgezahlt haben. Schönen Weg dann auch – danach! WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

Lächerlicher Betrag

■ betr.: „Gern fair, aber bitte günstig“, taz vom 2. 6. 14

Letztes Jahr hatte der Faire Handel einen Umsatz von rund 654 Millionen Euro. Auf die Bevölkerung umgerechnet, bedeutet dies, dass jede(r) im Durchschnitt 8,20 Euro im Jahr für fair gehandelte Produkte ausgibt. Ein absolut lächerlicher Betrag. ARTUR BORST, Tübingen

Offen und gründlich informieren

■ betr.: „Gern fair, aber bitte günstig“, taz vom 2. 6. 14

Jetzt hat auch der Faire Handel seinen Skandal. Wir Verbraucher fordern nun Aufklärung und mehr Kontrolle ein! Wer „faire“ Produkte kauft, möchte mit dem gezahlten Preisaufschlag doch Kleinbauern in Schwellen- und Entwicklungsländern helfen, neben den Großbetrieben weiter existieren zu können, aber natürlich nicht auf Kosten der von diesen Kleinbauern angestellten Landarbeiter! Wenn also die 10 Prozent Mehrkosten, die 2012 die Mehrheit der Transfair-Kunden gerade noch bereit war zu zahlen, gerade die im Vergleich zu Großbetrieben geringere Rentabilität der Kleinbetriebe kompensieren, dann ist doch klar, dass wir mehr zahlen müssen und werden, um Landarbeiter angemessen zu entlohnen. Neue Meinungsumfragen aufgrund des jetzt gegebenen Wissenszuwachses werden vermutlich andere Ergebnisse bringen. Gepa, Transfair & Co tun gut daran, uns offen und gründlich zu informieren, wenn sie uns nicht als Kunden verlieren wollen. Vorstellbar sind auch Partnerschaften zwischen Kleinbetrieben und Stammkunden bzw. „Interessierten, die es sich leisten können“, um die Idee von gestaffelten Preisen zu verwirklichen. SABINE MIEHE, Marburg

Auf den Punkt gebracht

■ betr.: „Atomwaffen für Polen“, taz vom 4. 6. 14

Herrlich auf den Punkt gebracht! Die Verletzung russischer Sicherheitsinteressen – statt Pufferzone Nato an der Grenze – erklärt die Überreaktion Putins. Das Unterstützen von nationalistischen Separationstendenzen kann nicht nur die CIA, sondern auch der KGB. Das waren immerhin Putins Lehrjahre! Dass Russlands Oligarchen weit mehr (und ohne Risiko) am Frieden – Erdöl und Bodenschätze – verdienen, kann in der in der Aufregung schon mal vergessen werden. Dann bleiben Rationalität und Diplomatie auf der Strecke.

NORBERT VOSS, Berlin