Kein Einblick in das Alt-Kraftwerk

Ob ein Beinahe-GAU wie im schwedischen Forsmark auch im AKW Brunsbüttel möglich wäre, bleibt unklar. Zumindest gewährt das zuständige Ministerium Umweltverbänden keine Informationen über den dortigen Reaktor

Die Deutsche Umwelthilfe wird vorerst keine Unterlagen über das Atomkraftwerk Brunsbüttel erhalten. Das teilte gestern das für Reaktorsicherheit zuständige Kieler Sozialministerium mit. Der Verband hatte beantragt, einige Dokumente einsehen zu dürfen, in denen der Kraftwerksbetreiber Vattenfall über die Sicherheit des Werkes Auskunft gibt. Hintergrund ist die Frage, ob sich ein Beinahe-Unglück wie im schwedischen Forsmark auch im Werk an der Elbe ereignen könnte.

Die Umwelthilfe möchte unter anderem eine Mängelliste einsehen, die Vattenfall dem Ministerium eingereicht hatte: „Entweder, die Liste ist harmlos, dann braucht man kein Staatsgeheimnis daraus machen. Oder sie ist es nicht – dann gehört Brunsbüttel abgeschaltet“, argumentierte Gerd Rosenkranz von der Umwelthilfe schon im Oktober bei einem Pressegespräch in Kiel.

Das Ministerium hatte zunächst zugesagt, das Material weiterzugeben, aber Vattenfall hatte widersprochen. Der Fall wurde intern geprüft. Nun fiel die Entscheidung: „Es war eine Interessenabwägung vorzunehmen, in der sowohl das Aufschubinteresse der Betreiberin als auch das Vollzugsinteresse der Umwelthilfe berücksichtigt werden musste“, teilt das Ministerium etwas umständlich mit. Entscheidend sei, dass mit der Herausgabe der Daten „Tatsachen geschaffen würden, die nicht wieder rückgängig zu machen sind“.

Klartext: Was die Umwelthilfe weiß, wird sie nicht wieder vergessen, auch wenn ein Gericht entscheiden sollte, dass die Herausgabe nicht hätte sein dürfen. Denn zurzeit prüft das Verwaltungsgericht in Schleswig den Fall. Dort liegt bereits ein ähnliches Verfahren, in dem es seit Jahren kein Urteil gibt.

Cornelia Ziehm, Leiterin der Abteilung für Verbraucherschutz und Recht bei der Deutschen Umwelthilfe, war gestern „erstaunt“ über die Entscheidung des Ministeriums: „Wir bedauern das sehr und prüfen derzeit weitere juristische Schritte“, sagte sie auf taz-Anfrage. Ziehm rechnet sich bei einem solchen Schritt gute Erfolgschancen aus: „Anders als in dem Präzedenzfall geht es hier nicht um einen einzelnen, abgeschlossenen Vorgang, sondern um die allgemeine Sicherheitslage.“

Die Umwelthilfe geht – wie auch andere Umweltverbände – davon aus, dass der Alt-Reaktor in Brunsbüttel eine ständige Gefahrenquelle darstellt. „Scheinbar lässt sich das Ministerium vor den Karren des Betreibers spannen“, sagt Ziehm. Das sei besonders erstaunlich, weil das Kieler Sozialministerium Anfang November bestätigt hatte, dass die Umwelthilfe „grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu den Daten“ hat. ESTHER GEIßLINGER