Der Duft des Geldes

In Parfüms, Joghurts oder Zahnpasta ist Symrise drin. Der Holzmindener Aromenhersteller steht vor dem größten Börsengang dieses Jahres

VON KAI SCHÖNEBERG

Es riecht nicht. Wer über das Fabrikgelände des weltweit viertgrößten Aromaherstellers der Welt schlendert, wird heute kaum noch von Odoren, Geschmacksstoffen oder Vergorenem belästigt. Das liegt an den riesigen Filteranlagen, die die 22.000 Einwohner von Holzminden inzwischen vor Symrise schützen. In der Konzernzentrale für rund 5.000 Mitarbeiter an 26 Standorten weltweit bereitet man sich in diesen Tagen auf den großen Run auf das dicke Geld vor, das ja bekanntlich auch nicht riecht: Am Montag geht Symrise aufs Parkett. Es wird wohl der dickste Börsengang des Jahres. Bis zu 1,4 Milliarden Euro sollen die Aktien in die Symrise-Kassen spülen. Der bislang größte deutsche „IPO“ gelang der Wacker Chemie, die ein Emissionsvolumen von 1,2 Milliarden Euro erreichte. Offenbar ist das Interesse groß: Die Aktie sei bereits mehrfach überzeichnet, heißt es aus Finanzkreisen.

Mit dem groß angekündigten Börsengang wagt sich Symrise auf ungewohntes Parkett: Die Flavoristen sind ansonsten ein eher diskretes Unternehmen. Sie mixen zwar die Aromen für Parfüms, Joghurts, Getränke, Zahnpasta, Waschmittel oder Kosmetika von Beiersdorf, Coca Cola oder Pepsi, Colgate, Danone, Dior, Nestlé und Unilever zusammen. Angeblich kommt jeder 800 Mal am Tag mit Symrise-Produkten in Berührung: Sie stecken in Nutella, in Klosteinen, in Beck‘s oder in Paloma Picasso. Aber wo Symrise drin ist, steht nie Made im Weserbergland drauf. Das würde ja die schöne Illusion zerstören, der Geschmack oder Geruch einer Sache käme von ihr selbst.

Wie aus einem Chemiebaukasten werden die Gaumen und Nasen betörenden Stöffchen in den Testlabors fusioniert. Farblose Flüssigkeiten imaginieren Natur: 3-Octanol erweckt Champion-Gefühle, Methylbutryrat riecht nach Granny Smith, Isoamylacetat nach Bananen, R-Carvon nach Minze, S-Carvon erinnert an Kümmel.

Die Kunst-Aromen sind aber nur Skelette für das Gesamtprodukt, das zum Schluss vielleicht aus hundert Essenzen besteht. Natürlich wird auch noch mit handfester Natur gearbeitet. In Holzminden werden Vanilleschoten aus Madagaskar angeliefert, Bauern aus der Umgebung bringen Zwiebeln, aus denen später konzentriertes Pulver wird. Zur Zeit drängt der Konzern vor allem auf Wachstumsmärkte wie Bio-Nahrungsmittel oder Diätprodukte, also „Funktional-Food“: Margarine, die Cholesterin senken soll oder Chips fast ohne Fett, Light total. Und natürlich liegt auch für Symrise die Zukunft vor allem in Asien oder Osteuropa. Etwa die Hälfte des Umsatzes in Höhe von im vergangenen Jahr 1,15 Milliarden Euro entfallen auf den Bereich „Duft und Pflege“, die andere auf den Bereich Aromen.

Während Symrise-Chef Gerold Linzbach davon spricht, dass er mit dem Börsen-Geld die „Finanzstruktur optimieren und Wachstumsspielraum schaffen“ will, wittern Fonds-Manager, mit dem Erlös sollten hauptsächlich Schulden getilgt und nicht das Wachstum der Firma finanziert werden. Ein großer Teil der Kapitalerhöhung diene dazu, die dünne Eigenkapitalquote von zwei Prozent auf rund 35 Prozent aufzustocken. „Das meiste Geld wird nicht dazu verwendet, das weitere Wachstum des Unternehmens zu finanzieren“, kritisierte ein Fondsmanager in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Nicht abgeneigt vom Geldsegen dürften die Altaktionäre sein, allen voran der schwedische Investor EQT, der Symrise vor drei Jahren aus den beiden Holzmindener Konkurrenten Haarmann & Reimer und Dragoco formte – und sich in Deutschland bereits beim Motorenhersteller MTU eingekauft hat. Hinter EQT verbirgt sich die schwedische Industriellendynastie Wallenberg. Linzbach, ein untypischer Manager, sagt dazu nur: „Den Begriff Heuschreckenmentalität kennen wir nicht. Die Partnerschaft mit EQT war sehr erfolgreich und hat ein global führendes Unternehmen geschaffen.“