Querdenker aus Niederbayern

Einen CSU-Mann stellt man sich eigentlich anders vor. Manfred Weber ist weder Polterer noch einer jener, die Brüssel die Schuld an allem Ungemach geben. Der 41-jährige Europaabgeordnete aus Niederbayern pflegt die leisen Töne. Die in der CSU gern gesehene Hau-Drauf-Attitüde liegt ihm nicht.

Vielleicht sind es genau diese Eigenschaften, die ihm nun einen Karrieresprung beschert haben: Weber, von Hause aus Ingenieur, wurde zum neuen Vorsitzenden der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament gewählt. Damit gehört er ab sofort zu den mächtigsten Politikern der Straßburger Kammer.

Dass die Wahl ausgerechnet auf Weber fiel, ist eigentlich erstaunlich. Schließlich hat die CSU bei der Europawahl kräftig Federn lassen müssen, ihre Kampagne bediente Vorurteile gegen die EU. Zudem ist Weber immer noch Nachwuchspolitiker; in Berlin kennt man ihn kaum, außerhalb Deutschlands sowieso nicht. In Brüssel hingegen kommt man nicht so leicht an Weber vorbei – so ehrgeizig besetzte er seit seiner Wahl ins Parlament 2004 „seine“ Themen in der Innenpolitik und beim Datenschutz.

Als der Franzose Joseph Daul Ende 2013 seinen Rückzug vom EVP-Vorsitz ankündigte, ergriff Weber seine Chance. Zielstrebig hat er seine Karriere aufgebaut. Von 2003 bis 2007 war Weber Chef der Jungen Union in Bayern, seit 2008 ist er niederbayerischer Bezirksvorsitzender, was in der CSU ein wichtiges Amt ist. Von 2002 bis 2004 saß er im Münchner Landtag, bevor er nach Straßburg wechselte.

Hier machte er sich schnell als Querdenker einen Namen. In der Einwanderungs- und Asylpolitik vertritt Weber – anders als die CSU – einen eher liberalen Kurs. Beim umstrittenen Bankdatenabkommen Swift kämpfte er auch schon mal gegen die offizielle EU-Linie an. Den grünen Datenschutzexperten Jan Philip Albrecht schätzt er.

In seiner Antrittsrede war er dann wieder ganz der Konservative. „Schluss mit dem Schuldenmachen, Stopp der EU-Erweiterung“, forderte Weber am Mittwoch. Immerhin setzte auch er sich vehement für Jean-Claude Juncker als nächsten Kommissionschef ein. Das war dann wieder mehr die Parlaments- als die CSU-Linie. ERIC BONSE