SCHWEINCHEN SCHLAU: Also 34,90 dann bitte
Auf dem Kassendisplay in der Schreibwarenabteilung steht 34,90. Das entspricht in etwa dem, was ich gekauft habe. „24,90 bitte“, sagt die Kassiererin, und ich merke auf: „Sie haben 24,90 gesagt.“ Sie schüttelt energisch den Kopf: „Nein, das kostet 34,90!“ Ich weiß, dass das 34,90 kostet, und ich werde auch 34,90 bezahlen.
Darum geht es mir gar nicht. Mir geht es darum, dass sie das falsch gesagt hat: „Ich meinte doch nur, dass Sie, wohl aus Versehen, 24,90 gesagt haben.“ Sie bleibt geduldig: „Ich rechne Ihnen das jetzt mal kurz zusammen: Achtzehn Euro plus acht Euro fünfundneunzig plus zwei mal drei Euro plus …“ – „Ja, das ist schon klar“, unterbreche ich sie, „ich wollte Sie hier ja auch auf keinen Fall bescheißen.“
Aber was wollte ich eigentlich dann? Vermutlich irgendwie schlau sein. Schweinchen Schlau ist superschau. Ich wollte ihr ihren läppischen Versprecher unter die Nase reiben, doch dabei habe ich sie mächtig unterschätzt: Mit ihrer freundlichen Dumpfheit lässt sie mich einfach auflaufen und unterläuft so elegant mein dünkelhaftes Ansinnen. Ich merke: Ich bin ihr nicht im Geringsten gewachsen. Längst bereue ich, überhaupt etwas gesagt zu haben. Ich bin doch nicht das erste Mal bei Karstadt! Das ganze Szenario hätte ich vorhersehen müssen und um Gottes willen die Schnauze halten. Aber nein! Ach, warum, warum. „Also 34,90 dann bitte. Wie ich gesagt habe.“
Irgendetwas geht in mir kaputt. In meinem Kopf schnalzt es ein paar Mal laut und mit einem metallischen Geräusch, wie wenn mehrere Gitarrensaiten reißen. Meine Nerven? Und habe nur ich das gehört? „Mein Gott, ja!“, kreische ich laut. „Ich gebe es ja zu! Ich habe gelogen und ich schäme mich dafür!“ Die Leute drehen sich um. Ein Kind zeigt mit dem Finger auf mich, die Mutter zieht es eilig weg. Das alles geschieht mir ja so recht. ULI HANNEMANN
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