„Wir haben viel geschafft“

BRASILIEN Nicht bloß Karneval und Kicker: Ein Abend über das Austragungsland der Fußball-WM

■ 45, ist Referatsleiterin für Lateinamerika bei der Nordkirche  Foto: Zentrum für Mission und Ökumene

taz: Frau Bergesch, der heutige Abend verspricht „mehr als Fußball und Samba“. Was gehört denn noch alles zu Brasilien?

Karen Bergesch: Brasilien ist in den letzten zehn Jahren reicher geworden, dadurch haben viel mehr Leute die Möglichkeit, zu studieren. Die Leute wohnen besser, sie reisen mehr und informieren sich mehr. Aber die Presse bedient mehr die Klischees.

Welche?

Es stimmt: Wir haben immer noch Probleme, wir haben immer noch Armut. Aber wir haben schon viel geschafft. Und die Brasilianer möchten, dass das gesehen wird.

Im Vorfeld der WM wird viel im Land protestiert, unter anderem von den Gewerkschaften und der Indigenen.

Viele Leute nutzen die Weltmeisterschaft, um der Regierung Druck zu machen. Zum Teil geht es dabei um die WM, oft um andere Dinge – dieses Jahr sind Wahlen in Brasilien.

Wie groß ist das deutsche Interesse an Brasilien – flackert es nur kurz vor der WM auf?

Ich glaube, dass es immer ein Interesse gibt. Aber natürlich ist Brasilien durch die WM stärker in die Aufmerksamkeit gerückt.

Ist die WM eine Chance oder ein Fehler für das Land?

Wenn es um Sport geht, ist es gut. Aber das Problem ist – wie in anderen WM-Ländern auch –, dass es auch um wirtschaftliche Interessen geht. Wenn zum Beispiel nur große Ketten etwas verkaufen dürfen und die lokalen Geschäfte außen vor bleiben.

Gibt es da Widerstand?

Die Frauen aus Bahia, die Acarajé verkaufen, das sind Bällchen aus Bohnenmus, haben sich zusammengeschlossen. Es war ihnen zunächst verboten, zu verkaufen – jetzt ist es erlaubt.

Wie ist, umgekehrt, der Blick von Brasilien auf Deutschland?

Man muss im Kopf haben, dass Brasilien 24-mal größer ist als Deutschland. Man muss über die verschiedenen Regionen sprechen. In Nordbrasilien hat man kaum Beziehungen zu Deutschland. Ich komme aus Südbrasilien, aus einer früheren deutschen Kolonie, da ist das anders.

Was für Kolonisten waren das?

Viele Deutsche sind im 18. Jahrhundert nach Brasilien ausgewandert – der Traum war, ein Land ohne Schnee und genügend zu essen, zu finden. Als Erbe haben wir viel Interesse an der deutschen Kultur. Wir haben auch eine evangelisch-lutherische Kirche in Brasilien – dadurch bin ich hier.  INTERVIEW: GRÄ

Länderabend Brasilien mit Doku-Film und landestypischem Essen: 19.30 Uhr, Stadtteiltreff Agdaz, Fehlinghöhe 16