Ein unendlicher Fall

Polizist, der einen Einbrecher erschoss, wird wegen Totschlags zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt

Zwei Jahre Haft wegen Totschlags: Erneut ist gestern der Polizist Wolfgang Sch. wegen des tödlichen Schusses auf den Einbrecher Julio V. am Heiligabend 2002 verurteilt worden. Sch. habe V. zwar nicht töten wollen, aber gezielt geschossen, erklärte die Vorsitzende Richterin. Er habe damit rechnen müssen, dass der Schuss möglicherweise tödlich sein würde. „Eine die Tat rechtfertigende Notwehrlage“, sagte sie, „lag nicht vor.“

Sch. war damals zu einem Einbruch in den Uhlenhorster Weg gerufen worden. Statt auf seinen Kollegen zu warten, stürmte er allein ins Haus, wo er auf drei Einbrecher traf. Als die Männer aus dem Flur-Fenster des 1. Stock flüchteten, schoss Sch. Julio V. in den Rücken. Angeblich hatte er in dessen Hand eine auf ihn gerichtete Waffe gesehen. Das wertete das Gericht nun als Schutzbehauptung und warf dem Beamten ein „ganz erhebliches Maß an Pflichtwidrigkeit“ vor.

Das Landgericht ist bereits das sechste Gericht, das sich mit dem Vorgang befasst hat. Zunächst hatte der Fall für Aufsehen gesorgt, weil noch in der Nacht des Vorfalls der damalige Innensenator Ronald Schill den Schuss als Notwehr bewertet und Sch. versprochen hatte, er werde den Fall schon richten. Danach wurden die Ermittlungen schlampig geführt und verschleppt – Beweismittel, darunter die Polizeifunkprotokolle jener Nacht, verschwanden. Erst mehr als ein Jahr später erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen „fahrlässiger Tötung“. Das ließ dann aber der Amtsrichter nicht zu, sondern votierte nach Aktenlage auf Notwehr.

Erst nach einer Beschwerde des Anwalts der Nebenklage, Manfred Getzmann, ordnete das Landgericht eine Verhandlung vor dem Amtsgericht St. Georg an. Nach viertägiger Beweisaufnahme brach die Richterin das Verfahren ab: Für sie war ein „Tötungsvorsatz“ zu erkennen. Im vergangenen Jahr verurteilte das Landgericht Sch. erstmals zu zwei Jahren Haft auf Bewährung – wegen „Körperverletzung mit Todesfolge“. Das Urteil kassierte wegen eines Formfehlers der Bundesgerichtshof. KVA